von Peter Backhaus
Am vergangenen Donnerstag war es in Israel ungewohnt still. Bedrückt verfolgten die Bürger die Beisetzungen von Ehud Goldwasser und Eldad Regev. Ob zu Hause, am Arbeitsplatz oder einfach vor dem Fern-
sehbildschirm eines Straßencafés: Die Menschen nahmen Abschied von den beiden Reservesoldaten. Diskussionen oder Kritik gab es kaum: Trauer eint. Oder wie es Staatspräsident Schimon Peres ausdrückte: »Das Volk wird zur Familie.«
Allerdings nur für kurze Zeit. Inzwischen ist die pietätvolle Ruhe einer Grundsatzdebatte über den Tausch mit der Hisbollah gewichen. Ein Teil der öffentlichen Meinung akzeptiert durchaus die von Ministerpräsident Ehud Olmert vorgegebene Parole, der Freikauf der Leichen der beiden Gefallenen sei eine unbedingte moralische Pflicht gewesen. »Der Gefangenenaustausch«, schrieb der bekannte Kom- mentator Jair Lapid »war weder gut noch schlecht. Er war schlicht erforderlich.« Immerhin seien Goldwasser und Regev nicht aus eigenem Gutdünken, sondern auf Befehl des Staates Israel zum Reservedienst ausgerückt. Andere Kommentatoren schauen aber auf den Preis, den Israel für die Heimführung seiner Toten gezahlt hat. Der Tausch lebender Terroristen gegen Leichen, rügte das Massenblatt Maariv, spiegle eine »verzerrte Norm« wider. Zudem, so ein weiterer Punkt der Kritik, treibe der Hisbollah-Deal den Preis für die Freilassung des nach Gasa verschleppten Soldaten Gilad Schalit in die Höhe.
Die Medien fällen aber nicht nur ihr Urteil, sondern geraten selbst ins Feuer der Kritik. Durch ihre emotionsbetonte Berichterstattung, glaubt Tamir Sheafer, Politologe und Medienexperte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, hätten die Journalisten den Druck auf die Regierung, dem Austausch zuzustimmen, erheblich gesteigert.
Die Regierung, analysiert der Terrorismusexperte Ely Karmon vom Interdisziplinären Zentrum in Herzlija, habe weder zu Beginn der Affäre noch an deren Ende eine gute Figur gemacht. Zunächst habe es Israel unterlassen, gleich nach dem Kidnapping möglichst viele Hisbollah-Angehörige gefangen zu nehmen, um seine Verhandlungsposition zu stärken. Das erzielte Ergebnis sei in sicherheitspolitischer Hinsicht bedenklich: Durch die Freilassung lebender Terroristen habe Jerusalem die Terrororganisationen zu neuen Angriffen mo-
tiviert.
Das sehen die Extremisten ähnlich. Im Libanon kündigte die Hisbollah weitere Entführungen von Israelis an. In Gasa erklärte die Hamas, der Tausch zeige, dass »Widerstand« im Kampf gegen Israel eine strategische Option sei. Paradoxerweise hat gerade das terrorgeplagte Israel bisher keine kohärente Politik für den Umgang mit Terrorentführungen formuliert. Das will die Regierung jetzt ändern und hat eine Kommission mit der Ausarbeitung von Leitsätzen beauftragt. Nach Meinung vieler reichlich spät.