von Wladimir Struminski
Syriens früherer Präsident Hafez al-Assad ließ Israel über seine wahren Absichten gern im Unklaren. Dies brachte ihm die Bezeichnung »Sphinx von Damaskus« ein. Sieben Jahre nach dessen Tod gibt auch sein Sohn und Nachfolger, Baschar al-Assad, den israelischen Nachbarn Rätsel auf. Einerseits hat er wiederholt seine Bereitschaft zu einem Friedensschluss betont. Andererseits rüstet Syrien auf, unterstützt die Hisbollah und beherbergt palästinensische Terrororganisationen. Die israelische Regierung zeigt sich verunsichert. Ministerpräsident Ehud Olmert tat die syrischen Friedenssignale als unseriös ab. Anfang dieser Woche wies er die Armee an, für einen möglichen Krieg mit Syrien bereit zu sein. Gleichzeitig aber erklärte er, der Preis für den Frieden sei bekannt: eine Rückgabe der Golanhöhen. Brigadegeneral Jossi Baidatz, Leiter der Forschungsabteilung des militärischen Nachrichtendienstes, glaubt, dass Assad trotz Säbelrasselns ein echtes Interesse am Frieden hat. Dagegen schenkt Mossad-Chef Meir Dagan Assads Friedensbeteuerungen keinen Glauben.
Mordechai Kedar, Forscher am Begin-Sadat-Institut für Strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität, versucht, Assads Strategie nachzuvollziehen. Hauptziel des alawitischen Minderheitsregimes in Damaskus sei das nackte Überleben. Unter diesem Gesichtspunkt wäge Assad auch das Für und Wider eines Friedens mit Israel ab. Dafür spreche der Wunsch, die Golan-Höhen zurückzugewinnen. Deren Verlust im Jahre 1967 wirft in den Augen der syrischen Bevölkerung bis heute einen Schatten auf die Legitimität des Regimes. Allerdings brauche Assad Israel aus innenpoliti- schen Gründen als Feindbild. »Unter Berufung auf die israelische Gefahr«, so Kedar, »kann das Regime die politische Unterdrückung seiner Bürger besser rechtfertigen.«
In außenpolitischer Hinsicht sei Syrien Teil einer von Russland und dem Iran getragenen antiamerikanischen Achse. Das bestärke Assad in seiner Friedensverweigerung. »Eine Bereitschaft der syrischen Führung zum vollen Frieden mit Israel wäre nur dann glaubwürdig, wenn sie mit einer grundlegenden Hinwendung der syrischen Führung zu den USA einherginge«, glaubt Kedar. Dafür vermag der Forscher jedoch keine Anzeichen zu erkennen, zumal die arabische Welt die USA in einer Schwächephase sieht. Alon Liel, Ex-Generaldirektor des Außenministeriums und Initiator der inoffiziellen syrisch-israelischen Verhandlungen, gibt sich etwas optimistischer. »Wir wissen, dass echte Normalität nicht leicht zu erreichen ist«, sagt er. Allerdings hätten sich die Syrer bereit erklärt, im Friedensfall ihre Bindungen an den Iran abzubrechen und vor der Rückgabe des Golans eine fünfjährige Probezeit zu akzeptieren.
Die Kriegsgefahr ist gleichwohl noch immer präsent. Nach Einschätzung des militärischen Nachrichtendienstes ist die Wahrscheinlichkeit eines syrischen Angriffs im kommenden Jahr zwar gering. Allerdings könnte Syrien durchaus versuchen, einen Stellvertreterkrieg mit Hilfe der Hisbollah anzuzetteln.