Andrea Bronfman sel. A.

Die Menschenfreundin

von Chanan Tigay

Das Arbeitszimmer mit den von Bücherregalen bedeckten Wänden beließ Andrea Bronfman genau so, wie es gewesen war, als das Haus in Jerusalem vor vielen Jahren noch ihren Eltern gehörte. Diese Geste, sagen diejenigen, die sie kannten, war bezeichnend für eine Frau, die ihr Leben der Bewahrung jüdischer Ideale und der Erziehung zu einem jüdischen Leben widmete.
Bronfman, eine überragende Persönlichkeit in der Welt jüdischer Philanthropie, starb am vergangenen Montag bei einem tragischen Verkehrsunfall in New York im Alter von sechzig Jahren.
Andrea Bronfman wurde in London geboren, ihr Vater war Schotte, ihre Mutter kam aus New York. Sie und ihr Mann – der Milliardär, Geschäftsmann und Philanthrop Charles Bronfman – lebten in New York, Florida und Jerusalem. Sie verbrachten jedes Jahr drei Monate in Israel. Im Jahr 2002 erhielten sie die Ehrenbürgerschaft von Jerusalem.
Vor zwanzig Jahren gründeten die Bronfmans die »Andrea and Charles Bronfman Philanthropies«. Die Stiftung unterstützte zahlreiche Programme und Initiativen, deren Ziel die Stärkung jüdischen Le- bens war. Daneben wurden Programme gefördert, die nicht direkt auf die jüdische Gemeinschaft bezogen waren – von Projekten an der Hebrew University und dem Israel Museum bis hin zum McGill Institute for the Study of Canada and Historica und die Foundation for Excellence in the Arts.
Das vielleicht kühnste und bekannteste Projekt war »birthright israel«, das von den Bronfmans mitbegründet wurde. »Bei diesem Projekt war sie ohne Zweifel Visionärin«, sagte Marlene Post von »birthright israel«. Durch das Programm das es seit sechs Jahren gibt, konnten bislang rund 100.000 junge Juden auf kostenfreie zehntätige Reisen nach Israel geschickt werden.
»Sie war einfach so lebendig, kreativ, und sie sah stets über den Tellerrand hinaus«, sagte Lynn Schusterman, ebenfalls eine bedeutende jüdische Philanthropin und Präsidentin der Charles and Lynn Schusterman Family Foundation.
Alle, die sie näher kannten, sprechen von Bronfmans hingebungsvoller Liebe zu ihrem Mann, ihren fünf Kindern und sechs Enkelkindern. Jeffrey Solomon, Präsident von Bronfman Philanthropies: »Außer ihrer leidenschaftlichen Hingabe an ihre Familie war da ihre Vitalität und eine tiefe persönliche Verbindung zu Israel, zu den Künsten und zu jungen Menschen – und diese drei versucht sie, so oft es möglich war, mit ihrer philanthropischen Arbeit zu verknüpfen.«
Zu ihrem 60. Geburtstag zu Beginn dieses Jahres gab Charles Schusterman die Schaffung des »Andy-Preises«, eine mit 10.000 Dollar dotierte jährliche Auszeichnung für einen israelischen Künstler, bekannt.
Bronfmans Tod wird auf dem Gebiet jüdischer Philanthropie eine große Lücke hinterlassen, sagte Mark Charendoff, Präsident des Jewish Funders Network. »Die Zukunft wird es zeigen, aber es gibt bislang in den ersten Reihen jüdischer Philanthropie und jüdischer Führerschaft nicht sehr viele weibliche Vorbilder«, sagte Charendoff, der als früherer Vizepräsident der Stiftung direkt mit den Bronfmans zusammengearbeitet hatte. »Andy war alles andere als schweigendes Mitglied oder Juniorpartner in einer der bedeutendsten jüdischen Familien in der Welt. Ihr Tod hinterläßt wirklich ein Vakuum.«
Nach den Terrorangriffen am 11. September 2001 wandte sich Bronfmans humanitärer Sinn den Opfern der Anschläge zu. Sie war Gründerin und stellvertretende Vorsitzende von The Gift of New York (Das Geschenk New Yorks), einer gemeinnützigen Initiative, die den leidtragenden Familien der Opfer kostenlose Tickets für Kulturangebote und Sportveranstaltungen zur Verfügung stellte.
Die Bronfmans gehörten zu den wichtigsten Unterstützern der United Jewish Communities, der Dachorganisation des nordamerikanischen Föderationssystems, in der Charles erster Vorsitzender war, und Andrea gehörte dem Prime Minister´s Council der UJC an.
»Ihre Art war die der jüdischen Matriarchinnen, ihr Tod hinterläßt eine Lücke, die nicht gefüllt werden kann – sie starb in der Blüte ihrer Jahre«, teilten Rabbiner Israel Singer und Stephen E. Herbits, der Vorsitzende und der Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, in einer Stellungnahme mit.
Zeev Bielski, Vorsitzender der Jewish Agency for Israel, war einer von zahlreichen Vertretern des offiziellen Israels, die Bronfmans Tod beklagten. Ihr Tod sei ein »enormer Verlust für das israelische Volk«, sagte er.
Ein Gedenkgottesdienst war am Mittwoch in der Synagoge B´nai Jeshurun in Manhattan geplant. Die Beisetzung ist für Freitag in Jerusalem vorgesehen.

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