von Roland Ernst
Noch retten, was zu retten ist. Für die Fotografin Elisabeth Hase (1905-1991) war das der Grundgedanke, der ihre Arbeiten prägte. Erst im Detail und in der Überhöhung konnten die Dinge ihre Wirklichkeit zeigen. So wurden Momente zum intimen Portrait inszeniert, herübergerettet in die unmittelbare Gegenwart und damit der Vergänglichkeit des nächsten Augenblicks abspenstig gemacht. Das alles sachlich und präzise in der Optik der neuen Sachlichkeit und des Bauhauses, wie die aktuelle Ausstellung Elisabeth Hase: Photographien der 30er und 40er Jahre in der Berliner Dependance der Galerie Anna Augstein Fine Arts zeigt. Studiert hatte Elisabeth Hase an der Kunstgewerbeschule in Frankfurt am Main bei Paul Renner und Willi Baumeister. Dort lernte sie den Stil der Sachlichkeit, dem sie ein Leben lang treu blieb. »Mein Auge wurde zum Objektiv. Ich konnte die Welt nur noch durch die fotografische Linse betrachten«, beschrieb Hase einmal ihr Dasein als Künstlerin. Realität und surreale Wirklichkeit, emotionale Wiedergabe und gleichzeitig die strenge, abstrakte Struktur der Motive prägen ihre Bilder. Ein Fingerhut wird da zum gepanzerten Denkmal der Emotionslosigkeit, ein Korbgeflecht zu einer beinahe Wittgensteinschen Metapher für zeitloses Denken: Alles greift ineinander und wird zu einer Ebene. Blüten bekommen die sachliche Erhabenheit eines beinahe altmeisterlichen Faltenwurfs und aus Puppenköpfen holt die Fotografin die Dämonie des Lieblichen heraus: Das sanfte tote Lächeln kalten Porzellans. Als Kontrapunkt ganz anders die Bilder vom Hamburger Hafen: Schatten des Vorübergehenden.
Was Elisabeth Hase damals fotografierte, wurde durch den Krieg zerstört und ist längst vergessen. Sie, die sich allen Avancen nationalsozialistischer Auftraggeber entzog und ihren jüdischen Lehrern und der sogenannten entarteten Kunst treu blieb, hat es vielleicht gerettet für unsere Wahrnehmung und ein Werk geschaffen, das es jetzt wieder zu entdecken gilt: Die Welt sachlicher, zeitloser Intimität, im Großen wie im Kleinen.
Bis 8. Juli Galerie Anna Augstein, Fasanenstraße 69, 10719 Berlin