Kein geringerer als Richard Goldstone, der Mann, der den Untersuchungsbericht zu möglichen Kriegsverbrechen während des Gasakriegs im Dezember 2008 verfasst hat, warnt davor, seinen rund 500 Seiten starken Report zu überinterpretieren. Es sei keine Untersuchung gewesen, relativierte er das Ergebnis, sondern lediglich eine Fact-Finding-Mission.
Die rund drei Dutzend konkreten Fälle, die Goldstone untersucht hat, stützen sich weitgehend auf Aussagen palästinensischer Augenzeugen. weil Israel nicht mit ihm zusammenarbeitete. Selbst der palästinensische Justizminister Ali al-Khashan bezeichnet den Report indirekt als ungenügend. Eine Anklageerhebung bräuchte weitere Beweise für israelische Verbrechen.
Inzwischen hat der UN-Menschenrechtsrat den Bericht gemeinsam mit einer Resolution verabschiedet. Darin wird Israel verurteilt – nicht aber die Hamas. Die Vorwürfe des Goldstone-Reports gegen die Hamas werden nicht einmal erwähnt.
Goldstone hatte versucht zu zeigen, dass sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite Kriegsverbrechen begangen worden seien. Israel wird »unverhältnismäßige Gewalt« beim Vorgehen im Gasastreifen vorgeworfen. »Absichtlich« seien humanitäre Einrichtungen von der Armee beschossen worden. Auch mit dem Einsatz von Phosphorgranaten habe Israel eindeutig gegen das Völkerrecht verstoßen.
Goldstone sagte, er sei sehr besorgt gewesen, als er den Resolutionsentwurf gelesen habe. »Ein 36 Absätze umfassender Text, aber kein Wort über die Raketen, die von palästinensischen Gruppen auf Israel abgeschossen wurden«, monierte der Südafrikaner. So etwas mache ihn traurig.
Der Goldstone-Bericht stößt zwar in Israel auf einhellige Ablehnung. Von den 60 Prozent der jüdischen Bevölkerung, die sagen, sie würden den Inhalt des Reports kennen, lehnen ihn 93 Prozent als voreingenommen ab. Doch international wächst der Druck auf Israel: Paris und London haben Jerusalem aufgefordert, die Vorgänge in Gasa wie einst die im Libanon zu untersuchen. Am Dienstag debattierte das israelische Sicherheitskabinett denn auch über eine eigene Gasakommission. Aber Verteidigungsminister Ehud Barak will davon nichts wissen: Eine Kommission kommt für ihn nicht in Frage – solange der internationale Druck nicht stärker wird. Pierre Heumann
UN-Report