Die etwas
günstigere Scheidung
Warum ein Mann
seiner ehemaligen
Frau weniger
zahlen muss
Muss ein Ehemann seiner Frau den im Ehevertrag für den Scheidungsfall zugesagten Entschädigungsbetrag wirklich ausbezahlen? Im Prinzip ja. Dennoch hat das Oberste Rabbinatsgericht dieser Tage einen Ehemann von der Zahlungspflicht weitgehend freigestellt. Statt der im Ehevertrag versprochenen Million Schekel muss der Gatte seiner Ex-Gemahlin nur 120.000 Schekel überweisen. Diesen Betrag hielten die Rabbiner im vorliegenden Fall für angemessenen Unterhalt für die Dauer eines Jahres. Die Missachtung des Millionenversprechens begründeten die Schriftgelehrten mit drei Argumenten. Erstens hätten sich die Eheleute das gemeinsame Vermögen ohnehin je zur Hälfte geteilt. Zweitens hätte von vornherein klar sein müssen, dass der in Aussicht gestellte Betrag die Möglichkeiten des Mannes weit übersteigt. Drittens: Deshalb habe der Gatte das Versprechen vor der Chuppa nicht ernst gemeint.
Gerade Letzteres ist eine für Rabbiner eher seltsame Begründung. Nach dem halachischen Personenstandsrecht – und dieses gilt in Israel für jüdische Ehen – ist der Ehevertrag (Ketuba) ein verbindliches Rechtsdokument. Im konkreten Fall jedoch wollten die Rabbiner auf einen neuen Trend Rücksicht nehmen, der die altbewährten Regeln auf eine harte Probe stellt: Um ihre Bräute zu beeindrucken, verpflichten sich immer mehr Israelis zu Scheidungszahlungen, die ihre Möglichkeiten bei Weitem übersteigen, bis hin zu einem Vielfachen ihres Jahreseinkommens. An den leichtsinnigen Zusagen hat auch eine bereits erfolgte, eindringliche Warnung des Oberrabbinats nichts geändert. Das Imponiergehabe wird nicht nur durch Liebeswahn und Eitelkeit, sondern auch durch Prominente angeheizt, die ihren Allerliebsten Fantasiebeträge in die Ketuba schreiben. Rekordhalter ist, soweit bekannt, der Sänger Ejal Golan. Er sagte seiner Braut, der Schönheitskönigin Ilanit Levy, für den Scheidungsfall 5.555.000 Schekel (eine Million Euro) zu. Starkoch Segew Mosche wiederum stellte der Modedesignerin Sandra Ringler eine glatte Million Schekel in Aussicht, während Fußballer Liran Strauber der Ex-Knessetabgeor- dneten Inbal Gawrieli immerhin 555.000 Schekel gelobte.
Weil in Israel jeder dritte Bund fürs Leben getrennt wird, müssen sich Rabbinatsrichter oft mit der halachisch diffizilen Frage beschäftigen, ob der in der Ketuba genannte Entschädigungsbetrag tatsächlich gezahlt werden muss. Pro Jahr, schätzt Efrat Orbach, Sprecherin der israelischen Rabbinatsgerichte, werden mehrere Dutzend einschlägiger Fälle den Dajanim zur Entscheidung vorgelegt. Ob das jüngste Urteil Nachahmung findet, muss sich zeigen; jeder Fall wird gesondert geprüft. Zwar haben die Rabbiner nunmehr anerkannt, dass offenkundige »Scherzangebote« keine rechtsverbindliche Wirkung entwickeln müssen. Allerdings darf sich kein Angeber automatisch auf Nachsicht verlassen. Das nämlich käme einer Aushöhlung halachischer Prinzipien gleich. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, wo für den Get das Geld er findet. Wladimir Struminski