Es ist nicht Gaza. Noch nicht. Doch der Abschuss von zwei Raketen aus dem palästinensischen Westjordanland Anfang vergangener Woche bestätigte den alarmierenden Trend.
Videoaufnahmen zeigten, dass Palästinenser versuchten, zwei selbstgebaute Raketen auf israelische Städte abzufeuern. Die Geschosse schafften es lediglich ein paar Meter weit – nicht einmal über die grüne Grenze. An einer Rakete aber heftete ein Zettel, der mit größeren Angriffen in der Zukunft drohte. Die Botschaft kam an.
SPRENGSTOFF »Die beiden Raketen wurden von den Streitkräften geortet, waren noch intakt. Ihre Nutzlasten enthielten keinen Sprengstoff. Es waren provisorische Raketen mit sehr begrenzten Fähigkeiten«, gab das israelische Militär Entwarnung. »Sie stellten zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohung für die Zivilbevölkerung in der Gegend dar.«
Das Filmmaterial zu dem Abschuss wurde von einer Gruppe veröffentlicht, die sich Al-Ayyash-Bataillon nennt, offenbar benannt nach einem Hamas-Bombenbauer, der von der IDF getötet wurde.
GEFÄHRLICH Anfang Mai bereits hatte der Chef des Inlandgeheimdienstes, Ronen Bar, darüber berichtet, dass die israelischen Sicherheitskräfte Versuche von Palästinensern im nördlichen Westjordanland vereitelt hätten, Raketen herzustellen, die auf Israel abgefeuert werden sollten. Die Bemühungen seien von einem hochrangigen Anführer des Palästinensischen Islamischen Dschihad geleitet worden. Er nannte dies einen »einen gefährlichen Präzedenzfall«. Man habe nicht »die Absicht, Afula zum Ziel von Raketenbeschuss werden zu lassen«.
Zentrum des palästinensischen Terrors ist die Stadt Dschenin, dort insbesondere das palästinensische Flüchtlingslager.
Das vergangene Jahr war geprägt von verstärktem Terrorismus, vor allem im Westjordanland, wo es die meisten Opfer in den vergangenen zehn Jahren zu beklagen gab. Die IDF meldeten im Jahr 2022 über 300 Terrorvorfälle – dreimal mehr als im Vorjahr. Die größte Herausforderung ist heute die wachsende Sicherheitsbedrohung im nördlichen Westjordanland, die sich auf andere Gebiete auszuweiten droht.
TÖDLICH Anfang April bereits erklärte Bar, dass die Sicherheitskräfte seit Anfang 2023 mehr als 200 Terroranschläge verhindern konnten. Bei nicht vereitelten Terroranschlägen durch extremistische Palästinenser wurden in den vergangenen 12 Monaten 52 Israelis getötet und weitere verletzt. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der IDF kamen 137 Palästinenser ums Leben, die meisten von ihnen waren nach Angaben der Armee Terroristen.
Zentrum des palästinensischen Terrors ist die Stadt Dschenin, dort insbesondere das palästinensische Flüchtlingslager. Allein von dort seien nach Angaben der Armee zahlreiche tödliche Terrorangriffe ausgegangen. Verschiedene Terrororganisationen, darunter die Hamas, hätten dort ihre Infrastruktur ausbauen können, Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde hätten in der gleichen Zeit jeglichen Einfluss verloren.
Das Flüchtlingslager ist eine terroristische Hochburg, betont die israelische Armee.
Das Flüchtlingslager ist eine terroristische Hochburg, so die Armee auf Twitter. Das Hauptquartier werde »als Beobachtungsposten, als Treffpunkt für bewaffnete Terroristen vor und nach terroristischen Aktivitäten, als Waffen- und Sprengstofflager und als Kontakt- und Kommunikationszentrum für die Aktivisten« sowie als »Unterschlupf für gesuchte Aktivisten« genutzt.
ENTSCHLOSSENHEIT Professor Kobi Michael vom Institut für nationale Sicherheitsstudien der Tel Aviv Universität (INSS) meint, dass die Hamas weiterhin »nach der Logik der Differenzierung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland« handele. Sicherlich in dem Verständnis, dass Israel die Entscheidung, diese Differenzierungsstrategie zu vereiteln, noch nicht getroffen hat. »Israel will derzeit die Ruhe im Gazastreifen aufrechterhalten und Ägypten die Möglichkeit geben, für Ruhe zu sorgen.«
Das allerdings habe einen Preis: Die systematischen Bemühungen der Hamas-Führung, den Terrorismus im und außerhalb des Gazastreifens zu fördern, würden von Jerusalem ignoriert und das Westjordanland werde in die Entwicklung der terroristischen Infrastruktur der Hamas einbezogen. »Terrorismus und antiisraelische Reaktionen sollen die Spannungen aufrechterhalten.«
Die Politologen Udi Dekel, Anat Kurz und Noa Shusterman bestätigen in ihrer Analyse für das INSS über die Lage im Westjordanland: »Das vergangene Jahr war geprägt von zunehmender Gewalt und einer Radikalisierung des Diskurses auf beiden Seiten. Die jeweiligen Führungen scheuen sich davor, kritische Entscheidungen zu treffen, die für den Fortschritt einer Vereinbarung relevant sind.«
»Das Ziel der Hamas besteht darin, ihre Stellung im Westjordanland auf Kosten der PA zu festigen.«
Und weiter: »Dies hat sowohl zu einer politischen Sackgasse als auch zu einem fruchtbaren Boden für die Eskalation von Gewalt und Terrorismus geführt. Die Spaltung im palästinensischen Lager zwischen Fatah und Hamas, die Akzeptanz in Israel, dass es auf palästinensischer Seite keinen Partner für eine Einigung gibt, die zunehmende Schwäche der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und Wellen des Terrorismus und gewalttätige Zusammenstöße sind Beweise dafür.«
DYNAMIK Nach dem Verständnis von Professor Michael befinde sich die palästinensische Gesellschaft bereits in der Zeit ›nach Abbas‹, was die internen Kämpfe um die Nachfolge und damit die Dynamik der Eskalation verstärken.
Michael zeichnet ein düsteres Szenario: »Das Ziel der Hamas besteht darin, ihre Stellung im Westjordanland auf Kosten der PA zu festigen. Währenddessen geht die Aufrüstung im Gazastreifen weiter bis zu dem Tag, an dem alle Fronten gegen Israel aktiviert werden.«