bibliothek

Die Aufheller

Zweimal im Jahr kommt ein Wissenschaftler von der Universität Hiroschima angereist und steigt in den dritten Stock in der Kölner Stadtbibliothek hinauf. Er macht den weiten Weg von Japan ins Rheinland, um in der Germania Judaica über das Judentum im Deutschen Kaiserreich zu forschen. Was sich hinter dem etwas sperrigen lateinischen Namen verbirgt, ist Europas größte Fachbibliothek zur Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Ju- dentums. Seit 1979 ist dieser einzigartige Bücherschatz in den Räumen der Stadtbibliothek zu Hause, gleich neben der Abteilung »Philosophie«. Im Freihandbereich stehen 45.000 Bände. Noch einmal dieselbe Menge findet sich im Magazin im Keller.
Der Bestand umfasst Werke aus fünf Jahrhunderten. Neben deutsch-jüdischen Aspekten stehen Bücher über Religion und Soziologie des Judentums, über Zionismus und den Staat Israel ebenso zur Verfügung wie Schriften über Antisemitismus. Ungewöhnlich für eine wissenschaftliche Bibliothek ist die umfangreiche belletristische Sammlung. Deutsche und israelische Autoren, Klassiker wie aktuelle Neuerscheinungen – der Bogen ist weit gespannt. »Die Qualität der Sammlung beruht zu einem entscheidenden Teil darauf, dass die Bibliothek so früh angefangen hat, ihren Bestand aufzubauen«, erläutert Annette Haller, seit 16 Jahren Geschäftsführerin der Kölner Bibliothek zur Geschichte des Judentums. Die Idee zur Germania Judaica ist einer Gruppe von Kölnern zu verdanken, die dem anschwellenden Antisemitismus Ende der 50er-Jahre etwas entgegensetzen wollte. Der Schriftsteller Heinrich Böll, einer der Gründungsväter, erinnerte sich 1984: Man habe die Vernichtung des europäischen Judentums durch die Nazis klar beim Namen nennen wollen. Hinzu kam die Erkenntnis, dass »die Wahrnehmung dessen, was geschehen war nicht stärker, sondern schwächer« wurde.
Auch der Kölner Buchhändler Karl Keller zählt zu den Ideengebern. Ihm war in seinen zahlreichen Gesprächen mit Studenten klar geworden, wie sehr es an einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek zum deutschsprachigen Judentum mangelte. In Böll und dessen Kollegen Paul Schallück, dem Journalisten Wilhelm Unger, dem Kölner Kulturdezernenten Kurt Hackenberg und dem Verleger Ernst Brücher fand er Gleichgesinnte. 1959 war es dann so weit: Aus der Bürgerinitiative wurde ein Verein mit dem Zweck »zur Aufhellung des deutsch-jüdischen Verhältnisses beizutragen«, wie es die Satzung formuliert.
Anfangs schwebte das Projekt, das sich durch Spenden und Mitgliederbeiträge finanzierte in ständiger Existenzangst. Die damalige Geschäftsführerin Jutta Bohnke-Kollwitz erhielt von vielen Seiten Unterstützung, von der Wiener Library aus London oder den Leo-Baeck-Instituten. Konti- nuierliche Hilfe kam aus Israel. In den 70er-Jahren übernahmen das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Köln große Teile der Finanzierung. 2006 zog sich das Land wieder zurück.
Heute besitzt die Bibliothek eine Fülle einschlägiger Standardtitel und rund 500 Zeitungen. Die Betreuung der bald 100.000 Bände, die Anfragen aus aller Welt und die Projekte, an denen die Bibliothek neben dem normalen Betrieb noch arbeitet, stemmt ein dreiköpfiges Team. Die finanziellen Mittel sind nach wie vor knapp. Immerhin: Nach fast vier Jahren konnte 2008 die Stelle der Bibliothekarin wieder besetzt werden. Constanze Baumgart

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Österreich

»Gegen Antisemitismus und Antizionismus aufstehen«

Der Bundeskanzler, dessen ÖVP Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ führt, sagt, weder Hass noch Ausgrenzung dürfe Platz geboten werden

 27.01.2025

Irland

Eklat mit Ansage beim Holocaust-Gedenken

Nach seinem Exkurs zum Gaza-Krieg bei der Gedenkfeier in Dublin hagelt es scharfe Kritik am irischen Staatspräsidenten

von Michael Thaidigsmann  27.01.2025

Berlin

Scholz zu Auschwitz-Gedenken: Müssen Erinnerung hochhalten

Am 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers wird der Opfer des NS-Terrors gedacht. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile gestorben

 27.01.2025

Gedenken

Mehr Menschen sollen sich Auschwitz anschauen

Wer einmal dort war, stelle sich die Frage, warum die Erinnerung wachgehalten werden muss, nicht, so Zentralratspräsident Schuster

 26.01.2025

Geisel-Abkommen

Scholz: Es müssen weitere Geiseln freikommen

Noch immer sind auch deutsche Staatsbürger in der Gewalt der Hamas

 25.01.2025

Thüringen

Buchenwald-Komitee droht mit Boykott von Gedenkfeiern

Die mögliche Wahl des AfD-Abgeordneten Jörg Prophet zum Vizepräsidenten des Landtags sorgt für Zündstoff. Zuletzt signalisierte die CDU von Ministerpräsident Mario Voigt Gesprächsbereitschaft gegenüber der AfD

 24.01.2025