»Die Anonymität der Opfer wird aufgehoben«
Norbert Kampe über die Dokumentation im
Haus der Wannsee-Konferenz
Herr Kampe, die Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin ist neu gestaltet worden (vgl. S. 13). Warum?
kampe: Die bisherige Ausstellung stand unverändert zwölf Jahre. In einem solch großen Zeitraum veraltet die Technik, Sehgewohnheiten ändern sich. Der Hauptgrund, die Dokumentation zu überarbeiten, ist aber in den neuen Erkenntnissen über die Organisation des Völkermords an den europäischen Juden zu sehen, die seit der Öffnung der Archive in Osteuropa in der Forschung gewonnen wurden.
Welches didaktische Konzept steht hinter der neuen Ausstellung?
kampe: Es geht weiterhin darum, den unterschiedlichen Besuchergruppen, die hier im Hause pädagogisch betreut werden, einen für ihre jeweiligen Bedürfnisse angemessenen Zugang zu diesem Thema zu eröffnen. Das sieht bei Jugendlichen eben anders aus als bei Erwachsenen. Die pädagogische Abteilung hat nun also die Aufgabe, diese spezifischen Zugänge mit der neuen Ausstellung in Einklang zu bringen.
Gehört zum didaktischen Konzept, daß im Haus der Täter auch das Schicksal der Opfer mehr Berücksichtigung findet?
kampe: Das kann man so nicht sagen. Bisher gab es überwiegend Opferfotos, Bilder von namenlosen Menschen, die in den Prozeß der Deportation und Vernichtung hineingeraten waren. Die neue Ausstellung hebt die bisherige Anonymität der Opfer auf.
Inwiefern?
kampe: Jetzt werden vier Familien exemplarisch vorgestellt. In den jeweiligen Themenräumen erfährt der Besucher dann, wie die Maßnahmen der Täter diese Familien trafen. Der Schwerpunkt der Dokumentation liegt aber weiterhin darauf, wie die Schoa innerhalb der NS-Gesellschaft organisiert wurde.
Wo ordnen Sie das Haus der Wannsee- Konferenz in der Gedenkstättenlandschaft Berlins und Deutschlands ein?
kampe: Es handelt sich bei unserer Gedenkstätte um einen historischen Ort, der seit dem Eichmann-Prozeß in Jerusalem international bekannt ist. 40 Prozent unserer 80.000 Besucher pro Jahr kommen aus dem Ausland, um diesen Ort zu sehen. Das Haus hat zudem über Deutschlands Grenzen hinaus einen guten Ruf als pädagogische Einrichtung. Wer etwa das Holocaust-Denkmal in Berlins Mitte besichtigt, kann sich danach bei uns in aller nötigen Ruhe mit dem Thema Schoa auseinandersetzen, etwa im Rahmen eines Seminartages.
Mit dem Leiter der Gedenkstätte »Haus der Wannsee-Konferenz« sprach Christian Böhme.