von Marc Greif
Ein palästinensischer Staat, sagen einige, wird durch die »Zweistaatenlösung« zustande kommen. Andere sagen: durch die »Einstaatenlösung«. Sie alle denken nicht in großen Maßstäben. Die 51-Staaten-Lösung – das ist die Antwort. Die USA verleihen dem Westjordanland und dem Gasastreifen den Status eines Bundesstaates, wie Nevada oder Rhode Island. Die Abstimmung darüber folgt dem normalen, in den Bundesgesetzen verankerten Ratifizierungsprozess. Alaska und Hawaii sind der Beweis, dass Bundesstaaten nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu den übrigen achtundvierzig auf dem Kontinent liegen müssen.
Das Angebot, die besetzten Gebiete innerhalb der Grenzen vor 1967 zu einem US-Bundesstaat zu machen, ist die wahre Lösung für die Probleme aller Beteiligten. Auf diese Weise bekommt Israel seinen treuesten Verbündeten zum Nachbarn. Die Palästinenser erhalten die Rechte und Pflichten amerikanischer Staatsbürger sowie Wirtschaftsförderung durch die US-Bundesregierung. Amerika kriegt etwas, was auf jeden Fall besser ist als eine ungewisse und schwache Demokratie US-amerikanischen Stils »im Herzen des Nahen Osten«: Es kriegt Amerika im Nahen Osten.
Wenn seine Bürger entsprechend abstimmen, wird Palästina zwei Senatoren und eine anteilige Vertretung im Repräsentantenhaus haben. Es wird sich eine Bundesstaatsverfassung geben und ein Gouverneursamt sowie eine Legislative und Judikative schaffen. Es kann gut sein, dass die palästinensischen Wähler in ihrer bundesstaatlichen Gesetzgebung Lebensweisen verankern möchten, die sich von denen, sagen wir, in Alabama unterscheiden. Das konservative Engagement für die Souveränität der einzelnen Bundesstaaten würde damit auf eine harte Probe gestellt. Aber die bestehenden Gesetze der Verei-nigten Staaten bilden den besten Rahmen, Konflikte jeglicher Art zu meistern.
In Palästina/USA wird das Gesetz herrschen, der Rechtsweg allen offenstehen, und keinem Bürger werden seine Rechte (freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, faires Gerichtsverfahren und wer weiß, vielleicht bald die gleichgeschlechtliche Ehe), all das, was er auch in Kontinentalamerika beanspruchen würde, vorenthalten. Aber Palästina, USA, könnte den Kanon vielleicht um Rechte oder Pflichten ergänzen, die anderswo nicht existieren. Vielleicht werden unsere Töchter lernen müssen, sich sittsamer zu kleiden. Und bei der Fastfoodkette Wendy’s gibt’s Falafel.
Was Israel betrifft, wird diese Neuerung ein für alle Mal sein Existenzrecht sichern. Keine Übergriffe seiner östlichen Nachbarn mehr. Keine Angst vor Angriffen mit Langstreckenraketen aus arabischen Staaten. Die Vereinigten Staaten werden es nicht zulassen, dass Geschosse über einen ihrer einundfünfzig Bundesstaaten hinwegfliegen, genauso wenig wie sie es zulassen würden, dass mexikanische Bomber via Mittle- rer Westen Kanada bombardieren.
Die Israelis haben immer zwischen Amerika und Europa balancieren müssen. Nun lägen sie auch geografisch zwischen beiden. Säkulare sowie heimliche Friedensfreunde – bei beiden die große Mehrheit – fänden zum Dialog in renovierten Universitäten, auf neu gebauten Straßen und in einer neuen Landschaft aus Einkaufszentren, Kinos, Fast-Food-Restaurants, Heimwerkerläden und öffentlichen, New-Deal-artigen Arbeitsprojekten. Auf einer künstlich aufgeschütteten Insel im Jordan könnte ein Nahost-Shoppingcenter entstehen.
Der Nutzen für Amerika ist ebenso klar. 200 Milliarden Dollar hat der Versuch gekostet, gewaltsam ein »stabiles demokratisches Regime« im Irak zu errichten. Das Regime wirkt nicht sonderlich stabil, und man kann nur schwer erkennen, dass das Land einmal demokratisch sein wird. Ein Bruchteil dieser Kosten würde einen US-Bundesstaat von der Größe Palästinas sichern. Das Beste, was Amerika exportieren kann, ist seine Verfassung. Und man müss-te keine Besatzungsarmee unterhalten – allein die Kosten für Fotokopien fielen an.
Nur so könnte ein amerikanisches Imperium Ansehen gewinnen. Im Moment pflanzen wir die Demokratie wie eine Orchidee ein und gehen dann wieder weg. Zurück lassen wir Erdöltechniker, die der Erde Nährstoffe entziehen. Besser ist es, sozusagen ein Stück unseres eigenen Gartens anzubieten, geschützt und beschirmt von zahlreichen winterfesten Stauden, in deren Augen das neue Pflänzchen keineswegs minderwertig ist.
Palästina als Bundesstaat in die Union aufzunehmen ist das Mindeste, was wir tun können. Das Schlimmste, was die Palästinenser ihrerseits tun könnten, wäre, das Angebot abzulehnen. Aber dann hätten wir sie wenigstens gefragt. Das wäre viel höflicher als die israelische Besetzung oder unsere Invasionen im Nahen Osten, wo wir die »Freiheit« im Laderaum versteckt einschmuggeln und ein Wahlsystem zusammenschustern: heute Irak, morgen Syrien. Und all das, während das Vorbild für das erfolgreichste demokratische System, das die Welt kennt, in den Federalist Papers und den staubigen Bänden in der Bibliothek jeder x-beliebigen amerikanischen Botschaft klar umrissen ist.
Sogar der Name unseres neuesten Bundesstaats wäre amerikanisch. Die Gefreite Jessica Lynch, Heldin der Irakinvasion, stammt aus Palestine, West Virginia. Eine nützliche Erinnerung an unser jüdisch-islamisch-christliches Erbe.
In einem sind wir uns einig: Der Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, ob Fernsehgeräte und Softdrinks, individuelle Rechte und Freiheiten sowie demokratische Institutionen amerikanischer Art geeignet sind, eine Bevölkerung zu befrieden, die Terrorismus und Bürgerkrieg gewohnt ist. Solange wir darauf keine Antwort haben, baut unsere gesamte Außenpolitik auf einer ungeprüften Prämisse auf. Unser Abenteuer in Irak hängt davon ab. Die Hoffnung, dass die Frage mit Ja beantwortet wird, ist Liberalen und Konservativen gemeinsam. Diese verschwommene gute Absicht bestimmte das Denken nach dem 11. Septem-
ber 2001. »Freiheit« bringt Frieden. Oder Konsumgüter bringen Frieden. Oder freie Märkte bringen Frieden. Oder Individualrechte, »Menschenrechte«, bringen Frieden. Oder die amerikanische Lebensart, gesellschaftliche Befriedung und ganz gewöhnliche Infrastruktur bringen Frieden.
Aber im Grunde wissen wir es nicht. Wenn wir ein gerechtes und humanes Imperium wollen, das – wenn es irgendwann unvermeidlicherweise untergeht – Institutionen hinterlässt, die eher dem Erbe des Römischen Reichs gleichen als dem Gebaren von Attila dem Hunnenkönig, müssen wir den Versuch wagen. Wir müssen klein
anfangen (obschon mit einer großen Idee). Simpler Glaube reicht nicht. Es ist die einfachste Sache der Welt, es auszuprobieren. Aus amerikanischer Sicht gibt es keinen besseren Ort, einen vernünftigen, preiswerten und konkreten Testlauf für unseren Export von Goodwill durchzuführen, keinen, der größeren Gewinn bringt, als Palästina – unser einundfünfzigster Bundesstaat.
Marc Greif ist Ko-Chefredakteur der amerikanischen Kulturzeitschrift n+1, in der dieser Text ursprünglich erschien.
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