Rauchen

Dicke Luft

von Anke Ziemer

Wenn in den Gemeindeeinrichtungen die passionierten Kettenraucher zur Zigarette greifen, sorgt das regelmäßig für dicke Luft. Denn während in den meisten Betrieben und öffentlichen Einrichtungen der Nichtraucherschutz schon selbstverständlich ist, müssen die nichtrauchenden Mitarbeiter und Besucher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin noch immer zwangswei-
se mitrauchen. »Uns stinkt das seit vielen Jahren«, ärgern sich mehrere Mitarbeiterinnen der Zentralen Verwaltung. »Der Qualm stört uns, wir wollen nicht den Gestank in der Kleidung haben, außerdem ist Rauchen gesundheitsgefährdend.«
Die Beschwerde einer Klientin war für die Kolleginnen der Sozialabteilung kurz vor den Chanukkafeiertagen nun Anlaß, eine Unterschriftenaktion zu initiieren, mit der sie die Gemeindeleitung »dringend bitten, die nichtrauchenden Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde zu schützen«. Sie berufen sich auf die seit Oktober 2002 geltende Arbeitsstättenverordnung, in der Arbeitgeber verpflichtet werden, alle gemeinsam genutzten Räume, also auch Flure, Fahrstühle, Küchen, Toiletten, rauchfrei zu halten. »Es gibt kein Recht auf Rauchen am Arbeitsplatz«, bekräftigen sie ihren Vorstoß. »Wir hoffen, daß der Schutz der Nichtraucher auch bei uns in Zukunft dem Schutz der Raucher vorgeht.«
Mit ihrer Forderung stehen sie nicht allein, von mehr als zwanzig Kollegen –
darunter auch rücksichtsvolle Raucherinnen – erhielten sie spontan Zuspruch, weitere Unterschriften stehen in Aussicht. »Da ich Allergikerin bin, reagiere ich auf Zigarettenqualm besonders heftig«, begründet eine von ihnen, die im Dienstsitz Joachimstaler Straße ältere Hilfesuchende betreut, ihre Unterstützung. »Zudem befinden sich unter unseren Klienten auch Asthmatiker und Eltern mit Kindern.« Vereinzelt hätten mehrere Mitarbeiterinnen bereits in den zurückliegenden Jahren versucht, den Nichtraucherschutz bei Vorgesetzen und Kollegen einzufordern – jedoch mit mit mäßigem Erfolg. Von einigen wurden sie belächelt, andere bezeichnen sie als Nörgler und schneiden sie seither. Zwei Kolleginnen sind inzwischen tolerant genug, um Rauchen in ein kaum genutztes Treppenhaus auszuweichen. Doch es gibt einen harten Kern von Nikotinabhängigen, der sich weniger einsichtig zeigt. »Solange uns kein separater Raum zur Verfügung steht, rauchen wir eben auf dem Gang oder in der Küche«, lautet dessen Position. Auch die Betriebsärztin hätte mit den Worten resigniert: Da kann ich ihnen nicht helfen.
Den Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Michael May, und Personaldezernent Arkadi Schneiderman trifft die Forderung nach Nichtraucherschutz unerwar- tet, sie wußten – so sagen beide – von dem schwelenden Konflikt unter den Mitarbeitern nichts. »Bei mir hat sich niemand beschwert«, bekräftigt Michael May, selbst leidenschaftlicher Zigarillo-Raucher. »Im Gegenteil. Geschäftspartner, die ins Haus kommen, freuen sich über den Aschenbech-er auf meinem Tisch. Eine Zigarette vor dem Vertragsabschluß schafft eine angenehmere Atmosphäre.«
Anfang Januar hat der Vorstand nun den Nichtraucherschutz diskutiert und be-schlossen, Ende Januar mit der Betriebsärztin, dem Vertrauensrat und dem Bereich Arbeitssicherheit die rechtlichen Bestimmungen auszuwerten sowie für die einzelnen Standorte entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Denkbar ist, so Michael May, abseits des Büro- und Besucherverkehrs spezielle Raucherzimmer einzurichten oder – etwa in den Schulen und der Kita – ein vollständiges Rauchverbot auszusprechen. »Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten wollen wir das aber flexibel handhaben«, räumt May ein. Anfang Februar soll es dazu in einem Rundschreiben erste Informationen geben.
Die Kolleginnen der Sozialabteilung begrüßen die rasche Entwicklung. »Wir werden doch wohl eine gute Lösung finden«, hoffen sie. Indessen ist die Haltung von Rabbiner Yitshak Ehrenberg in jedem Fall mit der Arbeitsstättenverordnung kompatibel. »Aus religiöser Sicht ist das Rauchen verboten, denn wir dürfen unserer Gesundheit nicht schaden«, erklärt Rabbiner Ehrenberg, der aufgrund dieser Einsicht vor fünfundvierzig Jahren selbst das Rauchen aufgegeben hat. »Wenn mich jemand fragt, weise ich darauf auch immer hin.«

Kulturkolumne

Kafka und die Dubai-Schokolade

Wie für eine kurze Zeit des Nicht-Besserwissens ganz wunderbar alle Erwartungen zerdeppert wurden

von Sophie Albers Ben Chamo  12.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025

Medien

Medienwissenschafter: Erleben Großangriff auf unabhängigen Journalismus

Der öffentliche Raum leide unter »sehr reichen, sehr mächtigen Journalismus-Verächtern«

 10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025

Rechtsextremismus

Online-Talk: Musk wirbt erneut für AfD. Weidel rechnet mit Merkel ab

Mit positiven Aussagen über die AfD hat sich der US-Milliardär Musk bereits in den deutschen Wahlkampf eingeschaltet. Nun kommt es auf seiner Plattform X zum virtuellen Treffen mit der Parteichefin

 09.01.2025

Libanon

Parlament wählt Armeechef zum Staatspräsidenten

Es hat 13 Versuche gebraucht, nun gibt es endlich einen neuen Präsidenten. Die Hoffnungen auf einen Umschwung im Land sind groß

 09.01.2025

Menlo Park

Faktenchecker adé: Meta öffnet die Schleusen

Mark Zuckerberg kündigt die Abkehr vom bisherigen Moderationsmodell bei Facebook, Instagram und Threads an. Und das ist längst nicht alles

von Andrej Sokolow, Luzia Geier  09.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 9. bis zum 18. Januar

 09.01.2025

Berlin

Weidel trifft Musk zu Online-Gespräch

Der amerikanische Milliardär schaltet sich von den USA aus in den deutschen Wahlkampf ein und macht Werbung für die zumindest in Teilen rechtsextremistische AfD. Jetzt kommt es zum virtuellen Kennenlernen mit Parteichefin Weidel

 09.01.2025