von Sabine Brandes
»Macht ihn rein, Chewre!« Der Teamchef brüllt, die Männer rennen. »Nu, jalla, jalla, lauft schon!« Auch in Israel rollt der Ball. Obwohl die Teilnahme an der Fußball- WM so knapp an ihnen vorüberging, steht auch im jüdischen Staat momentan alles im Zeichen der schönsten Nebensache der Welt. Vor allem für die Olim Chadaschim, die Neueinwanderer im Land. Aufgeregt verfolgen die Argentinier in hellblau-weiß-gestreiften Hemden jeden Auftritt ihrer Mannschaft, bekannt lebenslustig feiern die Brasilianer rhythmisch den Fußball und sich selbst. Auch die deutschen Olim fiebern mit Klinsmanns Elf um die Wette und lassen sich kein Spiel im Fernsehen entgehen.
Mit bloßem Zuschauen aber ist es zumindest bei den männlichen Einwanderern nicht getan. Sie wollten zeigen, was sie selbst in den Beinen haben und trafen sich am vergangenen Freitag – rechtzeitig zur Eröffnung der offiziellen WM – zur Fußballweltmeisterschaft der Olim in Tel Aviv. Zwölf Mannschaften aus allen Ecken der Welt waren gekommen und verwandelten das Makkabi-Spielfeld am alten Hafen in ein kunterbuntes Spektakel. Mit dabei: Argentinien, Äthiopien, Uruguay, Bel- gien, Brasilien, England, Österreich, Paraguay, Rußland, die Schweiz, die Türkei und Deutschland als Gastgeber.
»Unsere Fußball-WM ist jedes Jahr ein zentrales Ereignis«, sagt Marc Neugröschel, Geschäftsführer von NOAM, der Vereinigung junger deutschsprachiger Neueinwanderer in Israel. »Sie ist großes Happening, sportliches Event und Kontaktbörse für Einwanderer von überall her zugleich.« Bereits zum vierten Mal hatte NOAM das Turnier organisiert.
Nicht nur die Organisation klappte reibungslos. Auch spielerisch war die Elf von Teamchef Gerschon Surowicz, der vor neun Jahren aus München eingewandert war, dieses Jahr überragend. Nach einem spannenden Finale gegen Äthiopien unterlagen die Deutschen zwar mit 4:1, können sich aber nun Vizeweltmeister nennen. »Eine wahnsinnige Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren«, meint Surowicz, der das Team zusammen mit Jochanan Sommerfeld seit zwei Jahren trainiert. Bei den letzten Turnieren war die Mannschaft stets im Viertelfinale ausgeschieden. »Doch dieses Mal haben wir es sehr ernst genommen und uns schon drei Monate vorher streng vorbereitet.« Schlüssel für den überraschenden Erfolg sei der enge Zusammenhalt der Mannschaft gewesen.
Und das, obwohl die Deutschen eine extrem schwere Gruppe mit Vorjahressieger Rußland, Vize und Favoriten Brasilien sowie den hoch gehandelten Argentiniern erwischt hatten. Doch nach einem ansehnlichen Auftaktspiel, in dem sie Rußland in letzter Minute mit 2:1 schlugen, waren die Männer guter Dinge. Torwart und einstiger Düsseldorfer Ron Abelski wagte eine Prognose, nachdem sie Zweiter ihrer Grup-
pe geworden waren: »Wir haben bis jetzt klasse gespielt und sind sehr zuversichtlich, daß es so weitergeht.« Es ging. Die Mannschaft um Kapitän Raphael Kon nahm schließlich überglücklich den Vizepokal mit nach Hause.
Neben den eigentlichen Spielen gab es in diesem Jahr ein einladendes Rahmenprogramm. Ein DJ heizte mit heißer Musik neben der gleißenden Sonne zusätzlich ein, und unter weißen Zeltdächern, die begehrten Schatten spendeten, gönnten sich Schweizer Kicker neben Türken ein Päuschen, ließen sich Engländer von den mitgebrachten Spielerfreundinnen die geschundenen Waden massieren oder wag- ten Österreicher ein Spielchen an den Tischkickern. Ganz wie bei einer echten WM: Aus jeder Ecke drängt eine andere Sprache ans Ohr. Hier Portugiesisch, dort Schwitzerdütsch und da das Amharisch der äthiopischen Einwanderer. Doch auf dem Spielfeld herrschte Hebräisch vor. Das verstand jeder, woher er auch stammt. »Ist doch klar«, sagt Neugröschel, »Iwrit ist die Sprache von uns allen.«