von Richard Chaim Schneider
Als er noch im Amt war, hatte es Bundeskanzler Gerhard Schröder bekanntlich nie besonders eilig, nach Israel zu kommen. Sein Außenminister Joschka Fischer wurde dagegen in Israel für sein ehrliches Bemühen geschätzt, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, wenngleich er auch nicht viel erreicht hat. Oder vielleicht doch: Immerhin konnte Fischer Premier Ariel Scharon nach dem Selbstmordanschlag vor dem »Dolphinarium« in Tel Aviv davon abbringen, mit aller Gewalt zurückzuschlagen. Immerhin konnte er damals auch Jassir Arafat dazu bewegen, zumindest für eine kurze Zeit eine etwas härtere Gangart gegen Terroristen einzulegen. Der große politische Wurf war das nicht. Doch Fischer hat damals immerhin einigen Menschen auf beiden Seiten das Leben gerettet. Das ist schon viel. Wenngleich die alte Bundesregierung nie in die Verlegenheit kam, die »unverbrüchliche Freundschaft« Deutschlands mit Israel in echten Krisenzeiten unter Beweis stellen zu müssen.
Nun also Angela Merkel. Es ist nichts Neues in der deutschen Nachkriegsgeschichte, daß ausgerechnet die Konservativen stets die besseren Freunde Israels waren als die sogenannten Linken. Das mag anfänglich mit dem schlechten Gewissen zu tun gehabt haben, als Konservativer eher »rechts« und somit in die Nähe der Nazis eingeordnet zu werden und beweisen zu müssen, daß dies völlig abwegig ist. Das hat sicher auch damit zu tun, daß die deutsche Linke lange Zeit so tat, als ob sie gar nicht antisemitisch (»anti-israelisch«) sein könne, weil man als Linker ja kein Nazi sein kann und somit vermeintlich keinen Beweiszwang als Deutscher hatte. Vor allem hat es aber mit einer pragmatischeren »Realpolitik« der Konservativen zu tun, mit einer größeren Bereitschaft, einzusehen, daß man manchmal auch mit Drohgebärden oder sogar Kriegen die Freiheit des Westens verteidigen muß.
Angela Merkel weiß das wohl besser als jeder andere deutsche Bundeskanzler vor ihr, ist sie doch ein Kind der DDR, das stets mit Sehnsucht hinübergeschielt hat nach Westen. Sie kennt den Unterschied zwischen Totalitarismus und Demokratie, sie weiß, was verbohrte Ideologien bewirken können, sie weiß vielleicht besser als wir »Wessis«, daß unsere Demokratie die beste aller Gesellschaftsentwürfe ist. Und sie scheint willens, diese auch zu verteidigen. Anders als Helmut Kohl, ihr Ziehvater, und ganz gewiß anders als ihr Vorgänger im Amt, benennt sie den Feind der Demokratien als das, was er ist: als Feind der Freiheit und des Friedens. Ihre Auftritte in Israel und vor allem bei der Münchner Sicherheitskonferenz waren beeindruckend.
Klare Worte, klare Analysen, klare Forderungen, klare Bekenntnisse. Und die SPD trägt’s mit. Noch. Auch wenn der Parteivorsitzende Matthias Platzeck inzwischen Magengrimmen bekommt wegen der klaren Äußerungen Merkels zum Iran und zur Hamas. Auf seiner Nahostreise erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ebenfalls SPD, in Jerusalem erneut, daß die Bundesregierung mit der Hamas nicht sprechen werde, solange sie nicht ihre Charta und den bewaffneten Kampf aufgebe. (vgl. S. 2)
Israel muß froh sein, einen so zuverlässigen Partner in der EU zu haben. Denn kaum sind die ersten Wochen seit dem Wahlsieg der Hamas ins Land gegangen, weicht die vor kurzem noch so klare, eindeutige Haltung der Europäer gegen die Islamisten bereits auf, lädt Rußland Hamas-Führer zum Gespräch nach Moskau, lavieren die Europäer immer noch mit Teheran herum und verlieren wertvolle Zeit im Wettlauf gegen den Bau einer iranischen Atombombe.
Israel wird Angela Merkel brauchen, Israel wird Deutschland brauchen, denn die Zukunft des jüdischen Staates sieht nicht rosig aus. Iranische Vernichtungsphantasien, die an Hitlers Rede im Reichstag über die Vernichtung der jüdischen Rasse erinnern, und die Entstehung einer islamistischen palästinensischen Autonomiebehörde vor der eigenen Haustür, sind der alltägliche »Kleinkram«, mit dem sich Jerusalem in naher Zukunft herumschlagen darf.
Allerdings: Was Angela Merkel mit ihren Bekenntnissen, was damit die große Koalition an Verpflichtung auf sich genommen hat, das muß erst einmal geschultert und dann auch eingehalten werden. Deutschland ist entschlossen, einen zweiten Holocaust nicht zuzulassen, sagt die Kanzlerin. Das aber bedeutet, daß die Bundesrepublik ihr ganzes politisches Gewicht innerhalb der EU in die Waagschale werfen muß, um Israels Interessen möglicherweise gegen den Willen anderer europäischer Staaten durchzusetzen.
Ob sie dazu das Zeug hat? Was wird die Kanzlerin machen, wenn sie den Unmut der muslimischen Extremisten auf Deutschland zieht, etwa dadurch, daß sie Irans Staatschef Ahmadinedschad mit Hitler verglichen und ihren Schulterschluß mit Israel verdeutlicht hat? Wenn es zu Terroranschlägen in Berlin oder Hamburg, Köln oder München kommt? Was dann? Angela Merkel und die neue Bundesregierung sind in der Bringschuld. Das ist kein einfacher Ausgangspunkt für die künftige deutsche Außenpolitik.