Einst lag am Ufer des Flusses Vardar, direkt im Zentrum von Skopje, das jüdische Viertel der mazedonischen Hauptstadt. An der Stelle streckt sich nun ein riesiges Betongerüst in den Himmel. Hier entsteht ein Ort, der an die Geschichte der mazedonischen Juden erinnern soll: das Holocaust-Erinnerungszentrum, das zweitgrößte Schoa-Museum in Europa.
Auf dem Gelände zeigen Schautafeln das futuristische Design des Gebäudes: Helle Mauern und eine verspiegelte Fassade, Glaspyramiden und antik anmutende Säulen als Eckpfeiler. Eine stilisierte Stahlmenora soll die Längsseite des Gebäudes schmücken. »Das Zentrum wird ein Denkmal für die jüdische Geschichte sein, in einer Stadt, in der die Spuren vom jüdischen Leben gänzlich ausgelöscht sind«, erklärt Ljiljana Mizrahi, die Vorsitzende des Holocaust Funds, der für die Planung und Konzeption verantwortlich ist.
Im Zentrum soll eine Ausstellung gezeigt werden, außerdem wird es Räume für Veranstaltungen geben. »Die Schau wird mit der Nachbildung zweier Hauptstraßen des jüdischen Viertels beginnen, das 1963 durch ein Erdbeben zerstört wurde«, sagt Ljiljana Mizrahi. »Und sie wird enden mit den Gaskammern von Treblinka.« Davor werden die einzelnen Stationen dokumentiert, die die mazedonischen Juden 1943 auf ihrem Weg in den Tod durchlaufen mussten. 98 Prozent der Juden des Landes sind in der Schoa ermordet worden.
Fünfzig Überlebende bauten 1944 die mazedonische jüdische Gemeinde in Skopje wieder auf. Zu den mühsamsten Aufgaben gehörte die Dokumentation des jüdischen Vorkriegslebens. Wer hatte in wel- chem Haus gewohnt, wie groß waren die einzelnen Familien, wie hießen die Mitglieder? Kaum jemand war übrig, der Zeugnis ablegen konnte. Im Jahr 2000 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das eine Entschädigungszahlung für den verlorenen Besitz der deportierten Juden ohne Nachkommen vorsah. 18 Millionen Euro hat die mazedonische Regierung gezahlt. Das Geld floss in den Holocaust Funds, mit dem nun das Erinnerungszentrum gebaut wird.
Ljiljana Mizrahi und ihr Ehemann Victor finden es vorbildlich, wie sich die Regierung für die jüdische Gemeinde eingesetzt hat. Sie zählt heute rund 200 Mitglieder. »Eines Tages werden wir verschwinden«, seufzt Victor Mizrahi. Auch deswegen liegt ein großer Teil der Zukunftshoffnung auf dem neuen Zentrum. »Menschen werden hier vorbeikommen und Fragen stellen: Wer waren die Juden? Was ist mit ihnen passiert?«
Der neue Bau, der voraussichtlich im Herbst kommenden Jahres fertiggestellt wird, soll auch ein Zentrum für Bildung, Forschung und Begegnung werden. »Unsere Großeltern wussten, wie man zusammenlebt«, sagt Victor Mizrahi. »Im 21. Jahrhundert müssen wir erst recht lernen, uns gegenseitig zu respektieren, wenn wir Europäer sein wollen.« Simone Böcker
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