von Christian Höller
Der Streit zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien und dem selbst ernannten Rabbiner Moishe Ayre Friedman eskaliert. IKG-Präsident Ariel Muzicant droht mit der Schließung der Talmud-Tora-Schule in Wien, weil Friedman darauf beharrt, dass seine Kinder trotz eines Banns weiterhin die Schule besuchen können. Der umstrittene, aus den USA stammende Rabbiner hatte im vergangenen Dezember an der Konferenz der Holocaust-Leugner in Teheran teilgenommen.
Friedmans Treffen mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad sorgte weltweit für Schlagzeilen. Friedman wurde deswegen von der IKG ausgeschlossen. Dies hat auch Konsequenzen für vier seiner Kinder, die an der jüdisch-orthodoxen Talmud-Tora-Schule in Wien unterrichtet werden. Die Privatschule steht unter Schirmherrschaft der IKG. Auf Anordnung der Schulleitung dürfen Friedmans Kinder nicht mehr das Schulgebäude betreten. Begründet wird dies mit Friedmans Auftritt in Teheran, der Säumigkeit beim Bezahlen der Schulgebühren und mit Zweifeln am orthodoxen Verhalten Friedmans.
Seitdem spielen sich vor dem Schultor fast täglich tumulthafte Szenen ab. Der Rabbiner begehrt mit seinen Kindern Einlass. Der wird ihm jedoch verwehrt. Es kommt zu Demonstrationen von Friedman-Unterstützern und zu Polizeieinsätzen. Der Direktor der Schule, Tibor Steiner, bedauert den Konflikt: »Der Unter- richt wird gestört. Wir weinen und können nicht mehr schlafen.« Er sorgt sich um den Frieden für 200 Schüler und 40 Lehrer. Friedman wirft der IKG vor, seine Kinder zu instrumentalisieren. »Anstatt die Kinder zu benutzen, um sich an mir zu rächen, sollte man sich für sie einsetzen.« Friedman klagte gegen den Schulverweis und bekam Recht. Das Oberlandesgericht Wien ordnete per einstweiliger Verfügung die Gewährung auf Schulzutritt für die Kinder an. Das Urteil wird vom Schulbetreiber, dem Israelitischen Tempel- und Schulverein »Machsike Hadass«, jedoch ignoriert. Das Gericht hat bereits Beugestrafen von ingesamt 350.000 Euro gegen den Schulverein verhängt. Allerdings wurden diese bislang nicht exekutiert. Der Wiener Stadtschulrat, der für die Durchsetzung der Schulpflicht zu sorgen hat, ist machtlos. »Wir haben der Familie Friedman Ersatzplätze an öffentlichen Schulen angeboten. Doch Friedman lehnt dies ab«, sagt ein Sprecher des Stadtschulrats. Denn die Stadt Wien betreibe keine jüdisch-orthodoxe Schule, und nur in eine solche will Friedman seine Kinder schicken.
Die IKG kündigte an, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Berufung einzulegen. Ein jahrelanger Rechtsstreit ist programmiert. »Wir werden notfalls bis zum Höchstgericht in Österreich und bis zum Europäischen Gerichtshof gehen«, sagt Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der IKG, der Jüdischen Allgemeinen. Denn die österreichische Verfassung garantiere die Religionsfreiheit. »Es kann daher nicht sein, dass uns ein Gericht vorschreibt, welche Kinder unsere Schulen besuchen dürfen«, betont Fastenbauer. »Und Religionsfreiheit bedeutet auch, dass Religionsge- meinschaften Mitglieder, die sich nicht an gewisse Regeln halten, ausschließen können.« Fastenbauer weiter: »Besuche auf Holocaustleugner-Konferenzen und Kontakte zu rechtsgerichteten Kreisen sind für uns nicht tolerierbar.«
IKG-Präsident Muzicant behält sich die Möglichkeit vor, die Talmud-Tora-Schule zu schließen und an einem anderen Standort eine neue orthodoxe jüdische Schule zu gründen. Die Talmud-Tora-Schule gehört zu den ältesten jüdischen Einrichtungen Wiens. Sie besteht seit 150 Jahren und ist nur während der NS-Zeit geschlossen worden. Familien, die ihre Kinder an diese Schule schicken, müssen sich an die strengen Regeln orthodoxer Juden halten. Muzicant betont, dass auch seine Kinder und Enkelkinder diese Schule nicht besuchen können, weil er diese strengen religiösen Regeln nicht einhalte.
Nach Friedmans Besuch der Teheraner Konferenz sei es zu einem »massiven Konflikt« mit der gesamten Lehrer- und Elternschaft der Schulkinder gekommen. Viele Eltern hätten erklärt, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen, falls die Kinder Friedmans weiter die Schule besuchen sollten, berichtet Muzicant. Die weltweite jüdische Gemeinschaft habe einen sogenannten Cherem gegen Friedman ausgesprochen, so der IKG-Präsident. Dies bedeutet den Ausschluss aus der Gemeinschaft. Der Bann wird verhängt, wenn ein jüdisches Mitglied der Gemeinschaft einen Schaden zugefügt hat.