Bob Dylan

Der will nur spielen

Von Martin Krauss

Wer geht eigentlich heutzutage noch hin, wenn Bob Dylan in der Stadt ist? Der Künstler selbst hat von der Bühne aus be- obachtet, dass die Fans »den Stil und die Substanz der Songs in einem eher viszeralen Sinn fühlen«. Wer einerseits nicht weiß, was das Wort viszeral bedeutet, andererseits Dylan mag, sollte besser nicht nachschlagen. (Für die übrigen: Es bedeutet »die Eingeweide betreffend«.)
Aber von den eingefleischten Fans – Dylan ging erstmals 1978 auf Deutschlandtournee – hat er eine noch schlechtere Meinung. Er spottet nicht etwa darüber, dass es meist Männer sind, die schlechte Kleidung favorisieren. Auch nicht, dass sie, weil sie mit dem Rauchen aufgehört haben, mittlerweile davor gefeit sind, in seinen Konzerten mit Wegwerffeuerzeugen romantische Gefühle und verbrannte Daumen zu erzeugen. Dylan ist noch gemeiner: Er macht sich darüber lustig, dass die Dylanologen ihn und seine Musik ernst nehmen: »Einige Leute favorisierten die Lieder der christlichen Periode, einige die post-kolumbianische Epoche, andere die prä-raphaelitische. Einige lieben meine Songs aus den 90ern.« Dabei will er doch nur spielen. Dylan macht einfach Musik, mit zunehmendem Lebensalter einfachere und dadurch reichere. Er ist ein, wie er selbst sagt, »song and dance man« und lebt davon. Mehr nicht.
Im Mai wird er 68 Jahre alt und reist immer noch um die Welt. Die Tournee, die seit 1988 ununterbrochen läuft, heißt inoffiziell nicht ganz zu Unrecht »The Never Ending Tour«. Allein in Deutschland gibt er diesmal fünf Konzerte an sechs Tagen: Hannover, Berlin, Erfurt, München und Saarbrücken. Ende April kommt die neue CD heraus. Sie heißt Together Through Life und ist, je nach Zählung, das 46. oder 52. oder soundsovielte offizielle Album des Musikers. Sein letztes, neu produziertes Werk war Modern Times aus dem Jahr 2006 und hielt sich tatsächlich eine sehr lange Zeit als Nummer eins der Verkaufscharts. Zwischendurch beehrte Bob Dylan Deutschland mit einer Kunstausstellung im sächsischen Chemnitz, wo er erstmals seine Zeichnungen und Aquarelle zeigte.
Dylan veröffentlicht immer noch regelmäßig seine Untergrundmitschnitte, Bootleg Series genannt, um das Geld einzustreichen, von dem Urheberrechtspiraten geträumt haben; zuletzt erschien im vergangenen Jahr Volume 8, Tell Tale Signs, mit seltenen und unveröffentlichten Stücken aus den Jahren 1989 bis 2006. Dazu kommen eine legendäre Radiosendung, zwei Filme und die Arbeit an seinen auf drei Bänden angelegten Erinnerungen namens Chronicles (Band eins erschien 2004). Dylans mediale Präsenz steigt sogar im Herbst jeden Jahres noch an, wenn die bibliophile Welt über die Kandidaten für den Literaturnobelpreis rätselt. Wenn Günter Grass, Winston Churchill und Dario Fo ihn bekamen, so die nicht ganz grundlose Überlegung, warum nicht auch der Junge mit der Mundharmonika?
Doch Bob Dylan ist trotz aller in eine andere Richtung deutenden Indizien nicht der Kopf eines Bob-Dylan-Weltkonzerns. Robert Leonardy, Pianist und Leiter der Musikfestspiele Saar, verriet in einem Interview, wie er es geschafft hat, Bob Dylan nach Saarbrücken zu holen: »Wir haben zunächst im Internet recherchiert: Wo können Verbindungen geschaffen werden? Wir sind dann auf die Dylan-Ausstellung in Chemnitz gekommen. Und die Direktorin der dortigen Kunstsammlungen hatte sogar eine Handynummer von ihm.« Der Organisator Leonardy sagt: »Er lebt wirklich durch seine Musik. Und es ist ein fast schon bescheidenes Arrangement, in dem er auftritt.«
Seit 1961 gibt dieser Robert Zimmerman, der jüdische Junge aus Hibbing, Minnesota, unter dem Namen Bob Dylan Konzerte, nimmt Platten auf, textet, kom- poniert, ist ab und an als Schauspieler zu sehen. Immer noch wird er mit seinem Image aus den 60er-Jahren konfrontiert, das ihn als Protestsänger, als »Stimme seiner Generation« erscheinen lässt. Das hat ihm nie gepasst, aber es hilft nichts. Immer noch muss er auf Konzerten Blowin’ in the Wind, Like a Rolling Stone und The Times They Are A-Changin’ spielen. Vermutlich auch auf dieser Tournee.

Kultur

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