Innovativ

Der Wassermann

Wasser – das neue Öl? Von wegen! Oded Distel räumt mit diesem Mädchen auf: »Zum Öl gibt es Alternativen. Wasser hingegen kann durch nichts ersetzt werden.« Der Mann weiß, wovon er spricht. Oded Distel ist Chef der israelischen Regierungsfirma »NEWtech« (Novel Efficient Water Technologies). Deren tägliches Geschäft ist das lebenswichtige Element, das in allen Ecken der Welt immer knapper wird. NEWtech fungiert als Bindeglied zwischen Israel und dem Ausland, bündelt einheimische Innovationen auf dem Wassersektor unter einem Dach und hilft beim Know-how-Export in alle Länder der Erde.

FRIEDENsbote Die Wüsten dehnen sich aus, die Temperatur auf unserem Planeten steigt stetig. Dennoch glaubt Distel nicht, »dass die nächsten Kriege um Wasser geführt werden«. Viel lieber sieht er die integrative Wirkung des kostbaren Nass: »Es kann der Ursprung für eine großartige länderübergreifende Kooperation auf Basis von Umweltschutz sein. Es kann Frieden bringen. Weltweit und auch hier bei uns im Nahen Osten. Wasser ist besonders wichtig für zukünftige Übereinkommen mit den Palästinensern. Mit Jordanien ist es heute schon gelebte Realität.«
Naiv ist der Mann aus dem Industrie- und Handelsministerium in Jerusalem jedoch nicht. Natürlich kennt er die Bedeutung der kostbaren Ressource weltweit: »Die Situation ist angespannt, in der Zukunft wird Wasser weiter an Bedeutung gewinnen. Das muss auch so sein, denn wo man hinschaut, gibt es zu wenig, auch in Europa, sei es in Griechenland, der Türkei oder in Spanien. Ich glaube aber nicht, dass es darum geht, dass wir irgendwann kein Wasser mehr haben. Wir werden Technologien finden, um das wachsende Bedürfnis zu bedienen, da bin ich mir sicher.« Leider hätten es die Menschen und Regierungen zu lange zu wenig wertgeschätzt. »Fazit ist, dass Wasser viel stärker geachtet werden muss.«
NEWtech ist 2006 aus der Not geboren worden. Der extreme Wassermangel im staubtrockenen Nahost-Staat ließ den Regierenden keine Alternative zum Handeln mehr. »Eigentlich müsste unser ganzes Land in trübes Gelb oder Braun getaucht sein«, sagt Distel. »Doch so ist es nicht, es gibt überall eine Menge Grün und Blumen, lebendige Parks, eine funktionierende Landwirtschaft. Die Antwort darauf ist die israelische Technologie.« Und die dominiert weltweit den Markt im Wasserbereich. Bei der Gründung der Firma lagen die Exporte bei einem Volumen von 700 Millionen US-Dollar, im vergangenen Jahr waren es bereits 1,4 Milliarden. Trotz Wirtschaftsflaute ist die Tendenz steigend.
Ein Boom wird nach November erwartet. Dann findet die Wassermesse WATEC in Israel statt, zu der Aussteller und Besucher aus der ganzen Welt erwartet werden. Die heimische Industrie allein tritt mit 30 Existenzgründern und Innovationen in diesem Bereich an.
Darunter ist eine Software-Firma, die früher IT-Systeme herstellte. Nachdem sie die verkauft hatte, rief dasselbe Team prompt eine neue Firma ins Leben. Distel: »Sie haben einfach dieselbe Technologie genommen, um damit Wassersysteme zu analysieren.« Jetzt forschten sie in städtischen Wasserleitungen nach Lecks. Im schlimmsten Fall geht durch brüchige Rohre 50 Prozent verloren, im besten zehn Prozent. Die Software-Firma benutze mathematische Algorithmen, um den Fluss in den Leitungen zu berechnen und könne auf diese Weise undichte Stellen finden. »Das funktioniert toll«, erzählt Distel, »weil diese Leute ihre Technologie aus dem Effeff kennen und in ein Feld gebracht haben, das leider viel zu lang brachlag.«

Trennungsfachleute Ein anderes Unternehmen, das ebenfalls auf der WA-
TEC ausstellen wird, bringt ein ganz neues Konzept für die Abwassertrennung mit. Statt den Wasserstrom erst am Ende zu trennen, erfolgt dies bereits gleich bei Ankunft in der Kläranlage. Schlamm fließt dann sofort in eine Richtung, das Wasser in eine andere. So können auch Wertstoffe wie Metalle oder Glas zum Recycling herausgefiltert werden. Der organische Müll wird für die Energiegewinnung genutzt.
Auch die Firma »Netafim« wird bei der Messe vertreten sein. Sie hat vor Jahren die Tropfbewässerung in Israel entwickelt. Durchschnittlich 70 Prozent des kostbaren Nass auf der Erde wird durch Bewässerung verbraucht. In einigen Staaten der USA sind es sogar bis zu 85 Prozent. »Die sparsame Tropfbewässerung beginnt gerade erst, den Markt zu erobern«, erklärt der Fachmann, »weltweit liegen wir gerade einmal bei etwa sechs Prozent. Doch davon kontrolliert Israel bereits die Hälfte.« Gerade in Ländern wie Indien, China und Afrika gäbe es in diesem Bereich ein großes Potenzial. »Und israelische Produkte bieten für alles Lösungen an, von kleinen Farmen bis zu riesengroßen Agrarflächen.«
NEWtech ist auch zuständig für eine sichere Wasserversorgung bei etwaigen Terroranschlägen, nationalen Katastrophen oder Unfällen. »Weil wir so ein kleines Land sind, findet das Management auf nationalem Level statt und schafft somit Synergien, etwa im Bereich des städtischen Recycling.«

zweitverwerter Israel recycelt 75 Prozent des Wassers auf nationaler Ebene. Das, was die Haushalte beispielsweise für Duschen oder Waschmaschinen verwenden, landet nach der Reinigung in der Landwirtschaft. Trotz Sparen und aller klugen Ideen ist Wasser in Israel ein rares Gut: Im vergangenen Winter fiel so wenig Regen wie noch nie, und vertraut man Meteorologen, dürfte es auch im kommenden nicht viel rosiger aussehen. Der Wasser-Experte verspricht dennoch, dass das Land nicht auf dem Trockenen sitzen wird.
Das Zauberwort lautet Entsalzung. Schon heute ist in Aschkelon die größte Anlage der Welt am Netz. Sie entsalzt jährlich 100 Millionen Kubikmeter Wasser. Auch in dieser Technologie liegen die Israelis vorn. Aschkelon nahm den Betrieb vor drei Jahren auf und »läuft rund«, wie Distel versichert. Doch sie und die Palmachim-Anlage, die zusammen 150 Millionen Kubikmeter produzieren, reichen für den Bedarf nicht mehr aus. Deshalb werde es nun die »Revolution der Entsalzungsanlagen« geben, verspricht Distel. Bis zum Jahr 2013 sollen hier insgesamt 550 Millionen Kubikmeter Wasser durch Entsalzung ge-
wonnen werden.
Obwohl der See Genezareth in diesem Jahr ein Rekordtief erreicht hat und auch die unterirdischen Quellen an einer historischen Minusmarke angelangt waren, ist der Mann von NEWtech optimistisch. »Es war ein hartes Jahr«, gesteht er. Doch dann blicken seine Augen zuversichtlich: »Ich glaube aber, dass das Schlimmste hinter uns liegt. Jetzt geht es voran. Natürlich sind wir in gewisser Weise vom Regen abhängig, doch mit der wundervollen Technologie und den neuen Entsalzungsanlagen hoffe ich, dass das nächste Jahr ein richtig nasses wird.«

Kultur

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