von Eva C. Schweitzer
Als er sein Amt antrat, nach einem Erdrutschsieg ohnegleichen, unterzeichnete er die ersten Gesetze schon am Neujahrsmorgen, in den Minuten nach Mitternacht: Eliot Spitzer, Gouverneur des Staates New York. Der »Kreuzzügler des Jahres«, wie ihn Time Magazine einmal nannte, der Generalstaatsanwalt, der als Schrecken der Wall Street galt, will keine Zeit verlieren, um mit zwölf Jahren republikanischen Filzes aufzuräumen. Der erste jüdische Gouverneur seit Herbert Lehman, der 1932 antrat, will der Korruption im Staat New York zu Leibe rücken. Das ist ein anspruchsvolles Ziel, wurden Entscheidungen doch bislang in der Hauptstadt Albany von einer Handvoll Politikveteranen ausgekungelt.
Der 47-jährige, in der Bronx geborene Jurist ist ein schlanker Mann mit zurückweichendem Haaransatz. Spitzer, dessen Eltern liberale österreichische Juden sind, hat in Princeton und an der Harvard Law School studiert. Danach arbeitete er in New York unter dem legendären Generalstaatsanwalt Robert Morgenthau. Er ermittelte gegen das organisierte Verbrechen und er brachte die Mafia-Familie der Gambinos zur Strecke, die die Transport- und die Beklei dungsindustrie in Manhattan kontrollierte.
Zwischendurch verbrachte er ein paar Jahre bei zwei privaten Anwaltsfirmen, 1999 wurde er Generalstaatsanwalt von New York. Kompromisslos ging er gegen Kungeleien, Absprachen und Anlagebetrug an der Wall Street vor. Er erwirkte Millionenstrafen gegen Großbanken wie Merrill Lynch, Credit Suisse, First Boston, Deutsche Bank, Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase oder UBS Warburg, denen er Absprachen und Insidergeschäfte nachweisen konnte – aber auch gegen Sony und Warner Music. Er bewirkte sogar den Rücktritt des Börsenchefs Dick Grasso, als dessen 140-Millionen-Dollar-Bonus bekannt wurde.
Und er fürchtet sich auch nicht, sich mit jüdischen Organisationen anzulegen: Es war Spitzers Investigation des Finanzgebarens beim World Jewish Congress, das dessen Chairman Israel Singer zu Fall brachte. Spitzers Behörde hatte herausgefunden, dass mehrere Millionen Dollar über Schweizer Konten verschoben wurden; Singer hatte alleine im Jahr 2004 mehr als 800.000 Dollar an Gehalt und Spesen bezogen.
Kein Wunder also, dass es zu den Prioritäten des frischgebackenen Gouverneurs gehört, dass die Wahlkampffinanzierung umgestellt wird: Spenden an Kandidaten sollen bald nur noch maximal 10.000 Dollar betragen dürfen, statt 50.000 Dollar. Auch sollen Politiker eine Sperrfrist einhalten, bevor sie zu Lobbyfirmen wechseln. Ungewöhnlicher allerdings ist seine Personalpolitik: Als er einen neuen Finanzchef suchte, mussten die Kandidaten vor laufender Kamera antreten, damit sich das Wahlvolk selbst eine Meinung bilden konnte. Der Amtsinhaber, Alan Hevesi, hatte gehen müssen, weil er seine Frau im Dienstwagen herumkutschieren ließ. Um solchen Auswüchsen vorzubeugen, will Spitzer eine Behörde für Ethik gründen, die Regeln für Staatsbedienstete und Lobbyisten aufstellen und überwachen soll.
Ein Dutzend Führungspositionen hat der energische Jurist inzwischen besetzt. Auch hier macht er einiges anders als sein Vorgänger George Pataki. So ernannte der Gouverneur, dessen Stellvertreter Afro-Amerikaner ist, einen schwarzen Verfassungs- richter. Zuvor war das oberste Gericht eine rein weiße Veranstaltung gewesen. Auch einen neuen New Yorker U-Bahn-Chef hat er ausgeguckt, unter dessen Ägide bereits der erste Spatenstich für die langerwartete Linie unter der Second Avenue stattfand, sowie einen neuen Chef der Hafenbehörde, die das neue World Trade Center baut.
Der Gouverneur gründete darüber hinaus gemeinsam mit seiner Frau Silda die Stiftung »Children for Children«. Er will, dass gewalttätige Sex-Verbrecher auch nach der Haft bis zu 25 Jahre in Verwahrung genommen werden dürfen, allerdings nicht im Gefängnis, sondern in Kliniken. Sie sollen in den USA nicht übliche Therapie und medizinische Betreuung erhalten. Außerdem plant er, etwas gegen gewaltverherrlichende Videospiele zu unternehmen, flächendeckend Kindergärten einzurichten und eine Krankenversicherung für alle Kinder einzuführen.
Das liberalere Kanada, das mit dem Staat New York eine gemeinsame Grenze an den Niagarafällen hat, ist hier sein Vorbild. Auch deswegen will Spitzer eine »Friedensbrücke« über die Niagarafälle bauen. Praktischer Nebeneffekt: Die könnte die Wirtschaft im darbenden New Yorker Norden ankurbeln.