von Gisela Ostwald
Norman Mailer war neun, als er erstmals von Hitler hörte. Seine Mutter, deren Familie vor dem Antisemitismus in ihrer litauischen Heimat nach New York geflüchtet war, sagte ihrem kleinen Sohn: »Er wird alle Juden umbringen!« Das war 1932, »zu einer Zeit, als die Staatsmänner noch erklärten, Hitler sei zwar etwas schwierig, werde sich aber schon beruhigen«, erinnert sich der 84-Jährige. »Seither weiß ich, was von Experten zu halten ist!«
75 Jahre später legt der zweifache Pulitzer-Preisträger jetzt eine Roman-Biografie des jungen »Adi« vor, in Ich-Form von einem Gehilfen des Teufels erzählt, einem SS-Mann namens Dieter. The Castle in the Forest, Mailers 19. Roman, wurde am 23. Januar der Öffentlichkeit vorgestellt. Wann das Buch auf Deutsch erscheint, ist noch nicht bekannt. Mailer hatte zuvor schon das Leben von Marilyn Monroe, Lee Harvey Oswald, Pablo Picasso und Muhammed Ali literarisch beleuchtet, und in der fiktiven Autobiografie Jesus Evangelium (1997) auch Jesus Christus – ebenfalls in Ich-Form – aus seiner Sicht geschildert.
Und jetzt Hitler: Im Klappentext des 477 Seiten langen Werks kündigt Mailers New Yorker Verlag Random House eine »unterhaltsame Familiensaga« an, die drei Generationen und 100 Jahre umspannt. Der Autor beschreibt den späteren »Führer« als gestörtes Produkt von Inzest, »einer unter Bauern im ländlichen Österreich nicht unüblichen Routine«, in diesem Fall zwischen Adolfs Vater und dessen Halbschwester Johanna.
Die New York Times lobte Mailers Werk als eine »mit viel Ironie aufgeschriebene Abhandlung«. Für die Washington Post ist das Buch die größte Herausforderung seiner langen Karriere, »eine verblüffende, ebenso kunstvolle wie maßlose literarische Kuriosität, teils faszinierend und mit brillantem Tiefgang, teils aber auch überraschend unglaubwürdig«.
Aus der Sicht des Teufels zu erzählen, sei »ein echtes Vergnügen gewesen« sagte der 84-jährige Schriftsteller. Wenn er noch drei bis vier Jahre so weiterarbeiten könne, wolle er seinem ersten Hitler-Band noch einen zweiten folgen lassen. »Aber nur, wenn ich meine Sinne nicht verliere und nicht mittelmäßig werde.«