Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehud

Es waren verstörende Bilder, die am Donnerstag via Livestream in die Welt gesendet wurden: pures Chaos, ein filmender Mob, maskierte Terroristen im Gewusel der Massen – und freigelassene Geiseln, denen die Angst buchstäblich ins Gesicht geschrieben war.

Während Agam Berger gezwungen war, alleine auf die von der Hamas aufgestellten Bühne zu gehen und den Regieanweisungen des Terroristen mit der Videokamera zu folgen, um wie ihre vier Kolleginnen am Samstag dieses perfide PR-Spiel der Hamas mitzuspielen, zeigte Arbel Yehud mit ihrem verängstigten Blick ihr Inneres unverhüllt nach aussen.

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Die ganze Welt konnte sehen, wie die einst so herzlich lachende Frau auf Bildern vor dem 7. Oktober 2023 nun von Panik und Unbehagen gezeichnet war. Arbel Yehuds Gesichtsausdruck, der auf den Filmaufnahmen vom Donnerstag zu sehen ist, ist das unmissverständliche Zeugnis von Grausamkeit. Als hätte die junge Frau in dieser 482-tätigen Geiseltortur nicht genug erdulden und erleben müssen – auch hier ersparte die Terrororganisation Hamas der Geisel nicht die letzte Demütigung.

Die offensichtlich ausgeartete Ansammlung – doch vermutlich war auch das ein von der Hamas gekonnt inszeniertes Chaos – hauptsächlich von Männern, etlichen Frauen am Rand stehend und sogar einiger Kindern in Chan Junis verdeutlichte erneut den Drang der Terrororganisation, die Geiseln selbst noch während ihrer Freilassung zu quälen.

Was man heute in den Videos gesehen hat, war nur ein Zehntel des Übels.

Arbel Yehud war umringt von einer aggressiven Masse und von bewaffneten Terroristen, die es mit ihren Sturmmasken nie wagen, ihre hässliche Fratze zu zeigen. Wer wäre hier nicht in Panik geraten?

Arbel Yehud war komplett alleine. Sie hatte nur ihre letzte Kraft, die sie zum Wagen des Internationalen Roten Kreuzes brachte, der sie nach Israel führen sollte. Einige Stunden später war von ihr zu lesen: »Ich war hauptsächlich alleine. Was man heute in den Videos gesehen hat, war nur ein Zehntel des Übels.«

Arbel Yehud war nicht nur an diesem Donnerstagvormittag alleine, sie war es während ihrer gesamten Geiselhaft. Einzig ihre stille Hoffnung, irgendwann aus dieser Hölle herauszukommen, ließ sie diese Zeit überstehen. Es ist ein stummer Schrei. Die breite Masse nimmt ihn nicht wahr. Am wenigsten die internationalen Organisationen, die für die Rechte der Frauen einstehen. Einmal mehr ist es ohrenbetäubend still um sie, wenn die weiblichen israelischen Geiseln in den Fokus rücken. Einmal mehr wird über die sexuelle Gewalt, den Missbrauch und die Folter, die den jüdischen Frauen seit dem 7. Oktober angetan wurde, geschwiegen.

An Tagen wie diesen, wenn Geiseln befreit werden, wäre es eine Möglichkeit, diese Stille zu durchbrechen und den Opfern von geschlechtsspezifischer Gewalt endlich Empathie zu zeigen. Doch zu schweigen, ist ein Verrat an genau den Prinzipien, die diese Gruppen angeblich so hochhalten.

dreyfus@juedische-allgemeine.de

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