Herr Graumann, der Staatsvertrag zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat der Juden ist ohne viel Aufhebens verlängert worden. Ist das deutsch-jüdische Normalität?
graumann: Das ist mehr. Denn der Staatsvertrag ist ja nicht nur einfach verlängert worden, das wäre noch gar nichts Besonderes gewesen. Vor allem sind die staatlichen Zuwendungen wesentlich erhöht worden! Das mag für die Bundesregierung womöglich ein kleiner Schritt sein, aber für den Zentralrat ist es ein ganz großer. Allerdings wurde uns diese Neudotierung nicht einfach auf einem silbernen Tablett serviert. Wir haben schon ordentlich und leidenschaftlich dafür kämpfen müssen.
Künftig erhält der Zentralrat pro Jahr fünf Millionen Euro als Finanzhilfe. Wofür wird das Geld ausgegeben?
graumann: Verabredet ist, dass der Zentralrat personell und strukturell gestärkt werden soll. Die Anforderungen sind doch viel größer geworden. Wir haben generell zu wenige Mitarbeiter, die zu oft viel zu viel leisten müssen. Hier brauchen wir dringend Verstärkung. Denn wir wollen ja unseren Gemeinden noch mehr Service und Rat bieten. Guter Rat ist nun mal teuer. Und ein guter Zentralrat ist noch ein bisschen teurer – dafür aber auch ganz besonders wertvoll.
Wie werden die Belange der »Liberalen« berücksichtigt?
graumann: Durch die Union Progressiver Juden und das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam. Zudem ist mit der Bundesregierung vereinbart, dass alle Strömungen im Judentum bedacht werden – über und vom Zentralrat als Dachorganisation.
Ist das als ein politisches Signal zu verstehen?
graumann: Davon bin ich überzeugt. Bundesregierung und Bundestag würdigen damit die Arbeit des Zentralrats und machen deutlich, dass diese Arbeit hoch geschätzt wird. Ich werde mich hüten, dieser Einschätzung zu widersprechen. Der Staatsvertrag stärkt uns aber in erster Linie politisch. Wir haben mehr finanzielle Mittel, um noch mehr dafür zu tun, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland sich gut entwickeln kann und auch zusammenbleiben wird. Das ist vor allem eine ganz große politische Herausforderung – aber ein wenig mehr Geld würde hier sicher auch nicht schaden.
Mit dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden sprach Christian Böhme.