von Martin Krauss
Wahrscheinlich ist der Hulk müde, vermutlich hat er kein Geld mehr. Für Anfragen ist er jedoch nicht mehr zu erreichen. Hulk ist der Kampfname von Gery Roif, dem dreifachen israelischen Schwergewichtsmeister im Pro Wrestling, hierzulande auch als Catchen bekannt. Roif war außerdem der einzige Wrestling-Promoter Israels. Nur er kümmerte sich um die Verbreitung dieses eigenwilligen Sports im Nahen Osten. Wenn man ihn nicht gerade kumpelhaft »Hulk« rief, dann war er »Mr. Israeli Pro Wrestling«.
27 Jahre alt, geboren in Netanja, ist Gery Roif in Israel eine kleine Berühmtheit. Im Jahr 2004 zeigten die Fernsehnachrichten, wie Roif über »New York« Rozenfeld siegte und zum zweiten Schwergewichtstitel seiner Karriere kam; eine Million israelischer Haushalte hatte eingeschaltet.
Am 16. Juli 2005 holte Hulk zum noch größeren Schlag aus. Die Fernsehserie »Makkat Medina« ging auf Sendung, eine, wie er verkündete, Sozialsatire aus der Welt des Wrestlings. Gery Roif spielte dort den »ringenden Rebbe«, sein Gegenspieler war Roifs Wrestlingpartner Joey »the Moalm« Tylec, der einen Soldaten mimte. Der Plot offenbart, dass es sich bei »Makkat Medina« nicht so ganz um eine Sozialsatire handelte, sondern um durchgeknallte Slapstick: Ein Rabbi und ein Soldat treffen sich zum Kampf. Wenn der Soldat verliert, wird er religiös; wenn aber der Rabbi unterliegt, meldet er sich zur Armee. Da dies alleine für eine ganze Fernsehserie noch nicht trägt, wurde noch Saar Fin verpflichtet, die in den 80er-Jahren den Ruf eines israelischen Sexsymbols hatte.
»Makkat Medina« hielt lange durch und wurde auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt, sogar auf dem britischen Wrestling Channel, gehört heute aber zur TV-Geschichte. Auf YouTube kann man sich Highlights anschauen. Für Gery Roif und seine Agentur, die Israeli Pro Wrestling Association (IPWA), hatte »Makkat Medina« interessante Auswirkungen: Die Serienstars wurden gerne für Geburtstage und Bar-Mizwa-Feiern gebucht.
Ob das Roif genügte, weiß man nicht, und er selbst beantwortet ja keine Fragen mehr. Angefangen hatte Roif mit seiner IPWA im Jahr 2001. Da war er 20 Jahre alt und Präsident des Israeli Wrestling Fan Club. Roif war nicht gerade ein Kraftmeier, aber er trainierte fleißig und nahm an Muskelmasse zu. In Anlehnung an die Legende Hulk Hogan nannte er sich bald »Hulk«. Roif veranstaltete für die immer noch kleine Gemeinde der israelischen Wrestlingfans Kampfabende. Jeden Sommer gab es den »Summer Splash«, bald den »Pessach Bash« im Frühjahr, im November bot er noch den »Kosher Clash« an, und dann gab es noch die »IPWA Election Day Anarchy«.
Splash, Bash, Clash oder gleich Anarchie – was sich martialisch anhört, waren schlichte Kampfabende in Turnhallen. Meist kamen etwa 100 Gäste, um sich die Kämpfer anzuschauen: Evgeny »Russian Sickle« Lyder, »Chief Inspector Rosenberg« und Ben »Iceman« Rozin waren die Stars. Auch Frauen stiegen in den Ring: Michal Gavrielov oder Jezebel.
Langsam wuchs die Fangemeinde – der Rekord waren 300 zahlende Gäste im Ben-Gurion-Sportcenter von Netanya. Aber von wirklich großen Leistungen lässt sich nichts in den Archiven finden, die Ent-wicklung des israelischen Wrestlings lebte von kleinen Erfolgen: Das internationale Total Wrestling Magazine begann etwa Ende 2003 damit, regelmäßig monatliche Rankings zu veröffentlichen, in denen auch die israelischen Kämpfer gelistet wurden. Diese Aufmerksamkeit nutzte Roif, um internationale Stars ins Land zu holen. Zunächst Kämpfer aus den USA oder Großbritannien wie »Aviv Maayan«, »Hawaii Allen«, »Jumping Lee« oder »Yossi the Bull«.
Im September 2004 investierte Roif noch einmal: Ein eigener Pro-Wrestling-Ring wurde für umgerechnet 10.000 Euro in Tel Aviv gebaut, er musste nicht mehr in die Ringe der Boxer ausweichen. Nun verpflichtete er auch richtige Stars: Kevin von Erich, eine amerikanische Wrestlerlegende, die eigentlich schon längst zurückgetreten war, stieg für Roif 2005 in Israel noch einmal in den Ring. Von Erich sollte »Makkat Medina« promoten. Gemeinsam entwickelten Roif und er eine Kampagne unter dem schönen Titel »Don’t do it at home«. Doch zum großen Abend mit von Erich kamen gerade 400 Fans nach Tel Aviv. Wer amerikanisches Wrestling kennt, weiß, dass das nicht die ganz große Kulisse ist.
2008 zogen sich die zwei großen US-Wrestling-Anbieter WWE und TNA zurück. »Niemand ist mehr bereit, in Pro-Wrestling-Events zu investieren«, hieß es bei der IPWA; im März wickelte Roif seine Agentur ab. Immerhin, von seinen Fans hat sich Roif alias der »ringende Rebbe« alias »Hulk« gebührend verabschiedet: »Wir werden weiter trainieren und hoffen, dass uns jemand künftig genügend Mittel gibt. Dann gründen wir wieder eine Agentur, die es israelischen Wrestlern ermöglichen wird, ihr Talent zu zeigen.«