von Jonathan Rosenblum
Wie nicht anders zu erwarten, hatte meine Kolumne über das Fünf-Sterne-Pessach (vgl. »Pessach am Pool«, Jüd. Allg. v. 24. April 2008) viel mehr Reaktionen als sonst hervorgerufen.
Mehrere jüngere Frauen schilderten da-
bei Pessach im Hotel als Gelegenheit, das Fest richtig genießen zu können, statt – wie Sklavinnen an den Ofen gekettet – acht Ta-
ge lang für Familie und Gäste Festmähler zuzubereiten.
Ein Mann erzählte mir, wie seine Ehe-
frau früher in den Wochen vor Pessach alle klassischen Symptome einer Zwangs-
neurose zeigte, wodurch vom häuslichen Frieden gewöhnlich nicht mehr viel übrig war, wenn sie endlich zum Fest kamen. Jetzt putze die Familie das Haus immer noch gründlich für Pessach und mache Bedikat Chametz (Suche nach den Resten von Gesäuertem), bevor sie in ein nahe gelegenes Hotel übersiedeln.
Allen die mir schrieben, um zu erklären, warum ein Aufenthalt im Hotel ihnen helfe, das Fest als spirituelles Erlebnis zu erfahren, kann ich nur sagen: Euch habe ich nicht gemeint. Ich habe bereits zugestanden, dass es viele gute Gründe gibt, weshalb eine Familie sich entschließt, nicht zu Hause zu bleiben.
Andere schrieben mir, das jemand, der Pessach im Hotel für das größte Problem hält, mit dem sich das Judentum heute herumschlagen muss, schlicht verrückt sei. Nimmt man es wortwörtlich, stimmt das sicherlich. Doch was der von mir in der Ko-
lumne zitierte Rabbiner meiner Meinung nach sagen wollte, ist, dass das zentrale Problem die rein äußerliche Ausübung von Mizwot ist – ohne jegliche innere Verbin-
dung zur Mizwa selbst oder zu dem Einen, der sie geboten hat. Zu oft wird die Be-
folgung einer Checkliste von Mizwot als der Preis angesehen, den wir dafür zahlen, in einer orthodoxen Gemeinde zu leben, wo wir uns wohlfühlen, statt als ein Mit-
tel, uns mit dem Herrscher der Welt zu verbinden.
Der überwiegende Teil der Reaktionen war wohlwollend, worin vielleicht nur zum Ausdruck kommt, dass die meisten von uns nicht die Mittel haben, einmal im Jahr mit der ganzen Familie eine Woche in einem Hotel zu verbringen. Ich freute mich, von einem Gemeinderrabbiner zu hören, ich hätte ihn in seiner Entschei-
dung – genau genommen war es die Entscheidung seiner Frau – gestärkt, eine Einladung als Gastgelehrter über Pessach auszuschlagen.
Kurz vor dem Fest fragte ich ein älteres Ehepaar, bei dem ich zu Besuch weilte, ob sie vorhätten, Pessach bei einem ihrer Kinder oder im Hotel zu verbringen. Entsetzt sah die Frau mich an. »Ich bete dafür, dass ich immer in der Lage sein werde, den Seder bei mir zu Hause zu feiern«, antwortete sie. »Meine Kinder erinnern sich an den Monat von Purim bis Pessach als die glücklichste Zeit des Jahres. Die Familie arbeitete zusammen, und dann machten wir Pause und saßen herum und redeten miteinander.« Auch heute noch wechseln sich die zwölf Kinder und beinahe 90 Enkelkinder ab, beim Hausputz vor Pessach zu helfen.
Doch um die Wahrheit zu sagen, störten mich die zustimmenden Worte mehr als die Kritik. Einige Leserbriefschreiber meinten, das für Pessach-Ferien ausgegebene Geld würde völlig ausreichen, den Rab-
binern und Lehrern an unseren Schulen pünktlich ein anständiges Gehalt zu bezahlen. Auch ich bin der Meinung, dass Fa-
milien, die ein Vermögen für Pessach-Ferien ausgeben, nicht auf einem Nachlass des Schulgelds bestehen können. Aber es ist naiv, zu glauben, Leute würden mehr Zeddaka (Spenden, Gerechtigkeit) geben, wenn sie die Kosten für Pessach herunterschrauben. Eher ist das Gegenteil der Fall.
Aber was mich am meisten beunruhigte, war der Vorschlag eines Lesers, die Rabbiner sollten einfach ein Verbot für Pessach-Hotels aussprechen. Nein, nein, nein – und tausendmal nein. Wenn wir wissen, dass es für manche Menschen sehr gute Gründe gibt, ins Hotel zu gehen, ist ein Verbot schon nicht mehr möglich.
Außerdem würden die Verbote zum größten Teil ignoriert. Chassidische Rab-
biner können Gesetze gegen den Luxus in ihren Gemeinden nur deshalb verkünden und erzwingen, weil ihre Autorität nicht in Frage gestellt wird. Doch die orthodoxe Welt draußen ist von unendlicher Vielfalt, und es gibt in ihr keine Instanz universeller Autorität. Unsere Rabbonim sind weise genug, zu wissen, dass Gebote, die weitgehend ignoriert werden, nur dazu dienen, die Achtung vor der Tora herabzusetzen.
Der Autor ist Direktor von »Jewish Media Resources« in Jerusalen