Herr Brandmüller, Sie eröffnen am heutigen Donnerstag im Berliner Schloss Charlottenburg eine Ausstellung über einen der umstrittensten Päpste: Pius XII. Wollen Sie ihn rehabilitieren?
brandmüller: Meinen Sie, dass er dessen bedürftig wäre?
Durchaus. Pius hat in den Jahren 1939 bis 1945 den Massenmord an den Juden nicht klar und deutlich beim Namen genannt und verurteilt.
brandmüller: Irrtum! Das Gegenteil ist der Fall. Der Pacelli-Papst hat zur Schoa nicht geschwiegen. Er hat mehrfach deutlich und unmissverständlich dazu Stellung genommen und den mörderischen Rassismus der Nationalsozialisten verurteilt.
Er hätte es verständlicher tun können.
brandmüller: Naturgemäß hat er in den Begrifflichkeiten seiner Zeit protestiert, die heutige Leser möglicherweise nicht auf den ersten Blick als das erkennen, was sie sind. Aber von den Nationalsozialisten und der internationalen Presse ist Pius XII. sehr wohl verstanden worden.
Wieso hat Pius XII. nicht theologisch ein Signal gesetzt und die Passage über die »perfiden Juden« aus der Karfreitagsliturgie gestrichen?
brandmüller: Es ist ein bedauerlicher Irrtum anzunehmen, dass hier das Wort »perfide« das bedeutet, was wir heute darunter verstehen: hinterhältig, hinterlistig oder tückisch. Im mittelalterlichen Latein bedeutet »perfidus« lediglich »ungläubig«. Es geht hier also nicht um eine, wie auch immer geartete, moralische Herabsetzung, sondern um jene Juden, die im christlichen Sinne ungläubig sind, sprich: nicht an Jesus Christus glauben.
Ihre Ausstellung beschreibt Pius XII. als einen Mann ohne Makel. Droht da nicht der Vorwurf, an einer Heiligenlegende zu arbeiten, die seine Seligsprechung befördern soll?
brandmüller: In unserer Ausstellung ist die Seligsprechung von Pius XII. kein Thema. Und zwar deshalb nicht, weil Selig- oder Heiligsprechungen nicht in meinen Aufgabenbereich fallen. Im Übrigen hatte Pius XII. natürlich auch Schwächen. Er hatte einen emp- findlichen Magen. Das hat diesen bedeutenden Papst aber nicht davon abgehalten, den totalitären Ideologien seiner Zeit – dem Nationalsozialismus und Kommunismus – eine klare Absage zu erteilen.
Mit dem Präsidenten des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften sprach Tobias Kühn.