von Karl-Josef Müller
Kaum jemand repräsentiert die jüdisch-europäische Geschichte im 20. Jahrhundert so sinnbildlich wie Martin Buber. Geboren 1878 in Wien, kommt er mit vier Jahren zu den Großeltern nach Lemberg. Nach dem Abitur am polnischen Gymnasium, studiert er Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte, Psychiatrie und Psychologie in Wien, Leipzig, Zürich und Berlin. Von 1916 bis 1938 lebt er im hessischen Heppenheim. Zwischen 1924 bis 1933 arbeitet er als Lehrbeauftragter und Honorarprofessor für Jüdische Religionslehre und Ethik in Frankfurt am Main. 1938 flieht Buber aus Deutschland nach Jerusalem, dort lehrt er bis 1951 an der Hebräischen Universität Anthropologie und Soziologie. Sein zentrales Werk Ich und Du, zuerst erschienen 1923, zählt der katholische Theologe Bernhard Casper zu den Büchern, die das 20. Jahrhundert gekennzeichnet haben »und es auch überleben werden«.
Ich und Du: Im Mittelpunkt des Denkens und Handelns von Martin Buber stand stets, was die Menschen miteinander verbindet, nicht, was sie voneinander trennt. Er begriff sich als Übersetzer zwischen den Kulturen, als Brückenbauer zwischen Mystik und Aufklärung im Judentum, aber auch als Vermittler zwischen Christentum und Judentum. Lange vor der Gründung des Staates Israel plädierte Buber, der religiöse Zionist, für ein brüderliches Zusammenleben mit den Arabern.
Über 1.500 Schriften sind von Buber überliefert, verstreut auf Einzelbände, weitgehend unkommentiert, manche noch nicht veröffentlicht. An einer lange überfälligen Werkausgabe wird seit 1999 gearbeitet, in einem deutsch-israelischen Kooperationsprojekt unter Mitarbeit von Forschern aus England, Österreich und den USA. Doch nun hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG die weitere Finanzierung abgelehnt. In der FAZ vom 29. 10. 2008 bezweifelt DFG-Präsident Matthias Kleiner die Qualität des Projektes und stützt sich dabei auf drei Gutachten. Kleiner ist Diplomingenieur und Professor für Maschinenbau. Die DFG hatte das Projekt zunächst gefördert, nachdem die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften es 1999 abgelehnt hatte. »Eine historische Pflichtaufgabe der deutschen Philosophie, Theologie und Religionswissenschaften« nennt Volker Gerhard, langjähriger Vizepräsident der Akademie die Bubersche Werkausgabe. »Ein Glanzlicht« wäre das Projekt für die Akademie geworden, »ein Blinder« hätte die Bedeutung dieser Aufgabe erkennen müssen. Vier Bände der auf 21 Bände angelegten Werkausgabe sind bislang herausgekommen, der fünfte wird Mitte November erscheinen – ein tragisches Fragment, sollte die weitere Arbeit am Geld scheitern.
Damit möchten sich die ehrenamtlichen Herausgeber nicht abfinden. Private Sponsoren sollen einspringen, wo der Staat und jene, die in seinem Namen Forschungsgelder verwalten, ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Aus der Verantwortung entlassen sind sie damit aber nicht. Ein neuer Antrag auf Förderung durch die Berlin-Brandenburgische Akademie liegt bereits in der Schublade. Die Entscheidung soll im Jahr 2011 fallen.