Die Ankündigung des Publizisten Henryk M. Broder, sich um das Präsidentenamt des Zentralrats der Juden in Deutschland bewerben zu wollen, hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Broder hatte am Mittwoch vergangener Woche überraschend seine Kandidatur für 2010 angekündigt. Der Zentralrat sei in einem »erbärmlichen Zustand«, schrieb er im Berliner »Tagesspiegel«. Die Präsidentin, Charlotte Knobloch, sei »von dem Job überfordert«, und der Generalsekretär, Stephan J. Kramer, falle nur »durch taktische Allianzen und sinnfreien Aktionismus« auf. Er selbst werde sich als Präsident unter anderem dafür einsetzen, »dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird«.
Vizepräsident Dieter Graumann sagte in einer ersten Reaktion, natürlich habe Broder das demokratische Recht sich zu bewerben, aber er halte das Vorhaben für eine »lustige Fantasie«. Der »Spiegel«-Autor solle sich doch zunächst in der Gemeindearbeit engagieren. Auch Präsidiumsmitglied Josef Schuster kann sich nicht erinnern, dass Broder viel Erfahrung in der Gremienarbeit habe: »Ich frage mich, ob nicht auch ein kleiner Publicity-Gedanke dahinter steckt.« Kritik sei legitim, aber »konstruktiv und sachlich muss sie sein«. Zudem bezweifelt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Würzburg, dass es der richtige Weg sei, »sich gleich für das höchste Amt im Zentralrat zu bewerben«.Broder müsse, sagt auch Heinz Joachim Aris, ebenfalls Mitglied im Präsidium, »sich erst einmal in einer Gemeinde oder einem Landesverband engagieren«. Dass die Kandidatur der Organisation guttun würde, bezweifelt Aris. »Erstaunt und doch wieder nicht erstaunt« war Hanna Sperling, Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund und Präsidiumsmitglied. Ihr Kommentar: »Das ist sein typischer Stil.«
Unterstützung erhält der Publizist von dem Münchner Historiker Michael Wolffsohn. Broders Kurs sei »die richtige Linie«. Auch Lala Süsskind, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Präsidiumsmitglied, spricht sich nicht strikt gegen Broder aus: »Ich würde ihn sogar selbst ins Direktorium des Zentralrats wählen, weil er die Diskussion beleben würde.« Allerdings erfordere dieses Amt »mehr Ernsthaftigkeit«. Michel Friedman, früherer Vizepräsident des Zentralrats, bemängelt, dass bei Broder »die Kritik zur persönlichen Diffamierung« geworden sei, namentlich gegen Charlotte Knobloch und Stephan J. Kramer. Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik aus Frankfurt erklärte: »Henryk M. Broder ist für den Zentralrat das, was Gabriele Pauli für die CSU war.« Die Landrätin war zwar nicht Parteivorsitzende geworden, hatte aber immerhin Edmund Stoiber gestürzt.
schraube Zentralratsvize Salomon Korn kritisierte eine »unangemessene Aufmerksamkeit«, die von den Medien produziert würde. Sie entstehe bloß, »weil ein Jude gegen andere Juden« wettere. Broder sei den Medien nützlich, wenn sie etwas gegen die Juden oder den Zentralrat sagen wollten, »was sie sich eigentlich nicht getrauen zu sagen«. In der »Welt« hieß es beispielsweise in einem Kommentar von Andrea Seibel, der Zentralrat laufe Gefahr, »zum Denkmalspfleger des Holocaust zu werden«. In der »Süddeutschen Zeitung« schrieb Matthias Drobinski, öffentliche Auftritte des Zentralrats seien oft peinlich: »Jedesmal kommt die eine, entscheidende Schraubendrehung zu viel, das Gewinde knackt und bricht, und alles ist kaputt.« In der Online-Ausgabe der »Süddeutschen« hingegen erinnerten Hans-Jürgen Jakobs und Oliver Das Gupta daran, dass Broder vor zwei Jahren seine Rolle in der deutschen Öffentlichkeit beschrieben hatte: »die des jüdischen Pausenclowns, der in einer großen Manege kleine Kunststücke vorführen darf«.