von Jens Hinrichsen
So strahlen Etappensieger. Irvin Ungar ist sichtlich zufrieden, einem seiner wichtigs-ten Ziele ein Stück nähergekommen zu sein. Der frühere Rabbiner und heutige Kurator der Arthur Szyk Society mit Sitz in Burlingame/Kalifornien ist dabei, als vergangene Woche im Deutschen Historischen Museum in Berlin eine umfassende Ausstellung mit rund 220 Arbeiten von Arthur Szyk (1894–1951) eröffnet wird. Der in Amerika berühmte Illustrator und Karikaturist Szyk ist im heutigen Europa weitgehend unbekannt. Das soll sich ändern. Vor drei Jahren hat Ungar eine Ausstellungstournee in Polen initiiert, wo Szyk geboren wurde. Und jetzt Berlin. »Eine besondere Freude«, sagt Irvin Ungar, und das klingt überhaupt nicht nach Pressekonferenzroutine.
Eine Wiederentdeckung ist diese Ausstellung in dieser Stadt, auch ein Stück Wiedergutmachung. Arthur Szyks Mutter wurde 1943 nach Majdanek verschleppt und ermordet. Er selbst hatte das Glück, seit 1937 in London zu leben, von wo er 1941 mit Frau und Tochter nach New York zog und dort schnell zu einem der meistgedruckten Karikaturisten und politischen Zeichner der USA avancierte. Die Nazis und ihre Verbrechen waren sein Thema. Der Zeichner betrachtet Hitler als Personifikation des Bösen und stellte ihn als Pharao oder als Hunnenkönig Attila dar. Auf einer farbigen Zeichnung von 1942 erscheint Hitler gar als der Antichrist, in dessen Augenhöhlen Totenköpfe flimmern. Um den Hitler-Satan herum nimmt ein apokalyptisches Geschehen seinen Lauf. Flankiert wird das Untergangsszenario von einem japanischen Krieger mit Hakenkreuz-Armbinde. Auf anderen Karikaturen sind es die Verbündeten der Nazis, Japans Hirohito und Italiens Mussolini, die ebenso mit Spott überhäuft werden. Eine »Einmann-Armee gegen Hitler« nannte Präsidentengattin Eleanor Roosevelt den Mann mit der messerscharfen Zeichenfeder.
Arthur Szyk war auch einer der wenigen, die während der Kriegsjahre die Schoa thematisierten und an die Entschlusskraft der Alliierten appellierten. »Die Tat – nicht Mitleid kann jetzt Millionen retten« war 1943 eine ganzseitige Anzeige in der New York Times überschrieben, unterzeichnet vom »Committee for a Jewish Army«. Darunter das von Szyk gezeichnete Motiv eines Soldaten mit Davidstern auf dem Helm, der Ghettobewohner zu schützen versucht. Für den überzeugten Zionisten erfüllt sich 1948 ein Traum, als der Staat Israel ausgerufen wird. Den »schönsten Tag in meinem Leben« verewigte Szyk in einer farbenprächtig aus Schrift und Bild kombinierten Israelischen Unabhängigkeitserklärung. Wenn möglich, stellt das Museum den imponierend detaillierten Originalblättern die gedruckte Publikation gegenüber, ganz im Sinn des Künstlers. »Szyk arbeitete, um seine Kunst dann auch gedruckt zu sehen«, erläutert Irvin Ungar und zitiert dessen Credo: »Kunst ist nicht mein Ziel, sondern mein Mittel.« Überspitzt gesagt: Szyk wollte zeichnend die Welt verändern.
Wie viele polnische Juden war auch der 1894 in Lodz geborene Arthur Szyk in seinen Jugendjahren mit antisemitischen Vorurteilen und politischer Benachteiligung konfrontiert. Seinem Patriotismus tat das keinen Abbruch. Pole und Jude zu sein war für ihn kein Widerspruch. Auf einem Selbstbildnis von 1935 schmückt ihn eine Menora, aber auch das Motiv des polnischen Adlers. Auf dieser runden Vignette porträtiert er sich auch als »Illuminator«, also als Buchmaler in mittelalterlicher Tradition. Das entsprach einem ästhetischen Selbstverständnis, das von der künstlerischen Moderne unbeeindruckt, oder besser: unbeeinflusst, blieb. Zwar hatte Szyk die moderne Malerei während seiner Pariser Lehrjahre in den frühen 20er-Jahren kennengelernt. Doch mit seinen präzise gearbeiteten, von Details oft überbordenden Zeichnungen im Stil der Miniaturmalerei und Druckgrafik des 16. Jahrhunderts ging er einen individuellen Weg, bis zuletzt. »Seine unnachahmliche Handschrift entzieht sich der schnellen Konsumierung«, betont Katja Widmann, Ko-Kuratorin der Ausstellung.
Der Immigrant Szyk verehrte sein Exilland USA, dessen Bürger er 1948 wurde. Doch er traf nicht nur auf Gegenliebe. Szyk-Kenner Ungar deutet auf ein Blatt von 1943, auf dem drei US-Arbeiter unterschiedlicher Herkunft gemeinsam für die Rüstungsindustrie anpacken. Vorgesehen war der Entwurf für ein Plakat eines Antidiskrimierungs-Komitees, gedruckt wurde das Bild nie. »Gouverneur Dewey sah das Bild mit einem Afroamerikaner, einem Weißen und einem Juden, wurde bleich und löste kurzerhand das Komitee auf, das er selbst gegründet hatte«, erzählt Ungar. Die Gleichberechtigung der Afroamerikaner war das große Anliegen des Künstlers nach dem Krieg. Das brachte ihn 1949 in den Fokus der Kommunistenjäger des berüchtigten Kongressausschusses für unamerikanische Umtriebe. »Absurd und tragisch« nennt Ungar das. War die quälende Anhörung des 57-Jährigen vor dem Ausschuss mitverantwortlich für seinen Herztod kurz darauf? Irvin Ungar fasst sich kurz selbst ans Herz: »Mein Gefühl sagt: Es sieht ganz danach aus.«
»Arthur Szyk: Bilder gegen Nationalsozialismus und Terror«. Deutsches Historisches Museum Berlin. Bis 4. Januar 2009
www.dhm.de
Der Katalog zur Ausstellung mit 216 Abbildungen ist im Deutschen Kunstverlag München/ Berlin zum Preis von 34,90 € erschienen.