von Wladimir Struminski
Anfeindungen aus dem Libanon ist Israel gewohnt. Ob Anschläge palästinensischer Terrorgruppen, die im Land der Zedern Zuflucht gefunden haben oder Raketenbeschuss durch die Hisbollah: Der Kummer, den das Nachbarland dem Judenstaat bereitet hat und weiterhin bereitet, rechtfertigen durchaus den biblischen Spruch »Vom Norden her bricht das Unheil los« (Jirmijahu 1,14).
Jetzt aber ist der Kampf gegen den zio-nistischen Feind an einer völlig neuen Front ausgebrochen. Fadi Abboud, Unternehmer und Vorsitzender des libanesischen Industrieverbandes spricht Israel das Recht auf die Vermarktung von Humus, Falafel und Tabule ab. Jedenfalls, so Ab-
boud, dürfe Israel diese Produktbezeichnungen nicht benutzen. Der Grund: Bei den drei Nahrungsmitteln handele es sich um libanesische Spezialitäten. Wenn Israels Nahrungsmittelindustrie gleichnamige De-
likatessen als »made in Israel« auf den Weltmarkt bringe, mache sie sich der Produktpiraterie schuldig und füge der libanesischen Wirtschaft einen finanziellen Schaden von mehreren Millionen Dollar pro Jahr zu. Deshalb will Abboud die libanesische Regierung zu einer internationalen Unterlassungsklage gegen Israel drängen.
Nun gehört es für große Teile der arabischen Welt zum guten Ton, sich über die vermeintliche israelische Usurpation nah-
östlicher Speisen zu entrüsten. Werbepos-ter, auf denen aus der humus- und falafelgefüllten Pita die auf einem Zahnstocher festgemachte Staatsfahne mit den zwei blauen Streifen und dem Davidstern herausragt, schlagen arabischen Nationalisten schwer auf den Magen.
Die Drohung mit juristischen Schritten verleiht Abbouds Vorstoß jedoch eine neue Dimension. Zwar räumte der Industrie-Vertreter in der vergangenen Woche ein, der Libanon habe die strittigen Produktnamen nicht als eingetragene Handelsmarken beansprucht, doch es sei allgemein bekannt, dass die einschlägigen Sattmacher libanesischer Provenienz seien. Damit stünden sie unter ähnlichem Schutz wie Feta-Käse, der nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs unter diesem Namen nur in Griechenland hergestellt werden darf. Ein weiteres Beispiel, das Abboud nicht nannte – vielleicht, weil Alkohol in einem vorwiegend muslimischen Land nicht gern als Argumentationshilfe benutzt wird –, ist der Champagner, der außerhalb seiner Stammprovinz zu schlichtem Schaumwein verkommt.
Seinerseits sieht Israel der angedrohten Klage gelassen entgegen. »Das ist doch töricht«, erklärt der Jerusalemer Außenamtssprecher Jigal Palmor. Humus, Falafel und Tabule, so Palmor gegenüber der Jüdischen Allgemeinen, seien keine Handelsmarken oder urheberrechtlich geschützte Namen, sondern Speisebezeichnungen, die sich von niemandem unter Exklusivität stellen lassen.
Auf dem Weg durch internationale Instanzen des Handelsrechts dürfte die Ausschließlichkeitsbeschwerde aber auch auf andere Probleme stoßen. Wenn der Libanon zum Alleininhaber der beanstandeten Produktnamen ernannt würde, dürften auch andere nahöstliche Nationen die einschlägigen Bezeichnungen nicht mehr verwenden. Nun aber mögen andere Araber die Empörung über die zionistischen Köche teilen.
Vor allem die Palästinenser ärgern sich schon seit Jahrzehnten maßlos über die kulinarische Anmaßung ihrer jüdischen Nachbarn – allerdings nicht, weil sie Humus und Falafel als libanesische, sondern als palästinensische Nationalspeisen sehen und auf sie nicht zugunsten der libanesischen Brüder verzichten wollen.
Auch dass sich Imbissstuben in Damaskus von Humus verabschieden, steht nicht zu erwarten. Oder sollte der ganze Nahe Osten kulinarisch auf historische Forderungen durchleuchtet werden? Dann könnte den Arabern der Anspruch auf die beliebten Drehspießstreifen drohen. Zumindest einer Sprachtheorie zufolge stammt das Wort »Schwarma« von dem türkischen Wort »çevirmek« ab. Dieses steht für »umdrehen«, ebenso wie das heute geläufige »Döner« soviel heißt wie »ein sich Drehendes«.
Falafel wiederum soll vor 4.000 Jahren von den alten Ägyptern erfunden worden sein. Dazu gibt es übrigens auch eine »zionistische« Version, auch wenn diese nicht allzu ernst zu nehmen ist. Danach haben die Kinder Israel Falafel in ägyptischer Knechtschaft erstmals zubereitet und das Rezept beim Auszug mit ins Gelobte Land genommen.
Wie dem auch sei: Die Initiative des sonst seriösen Industrieverbandes aus Beirut würde am besten in die Rubrik »Humoristisches« passen. Aber wer weiß: Bei Israel hört für viele der Spaß auf. Vielleicht verurteilt die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Judenstaat schon bald wegen der Herstellung von Humus und fordert ihn auf, sich künftig auf rein jüdische Spezialitäten zu begrenzen. Dann löst sich auch der Nahostkonflikt von allein, weil die meisten Israelis emigrieren werden. Wer hält schon eine Diät aus, die aus Gefillte Fisch, Mazzot, Kugel und Zimmes besteht?