von Heike Linde-Lembke
Ein langer Weg liegt hinter ihnen. Und viel Aufregung vor ihnen. Gabriele und Peter Siegfried wollen am 7. September in der Jüdischen Gemeinde Bad Segeberg unter die Chuppa treten. Es wird die erste Hochzeit in der Synagoge Mischkan HaZafon, der neuen Betstätte des Nordens in Bad Segeberg sein. Rabbiner Walter Rothschild trat dabei als Heiratsvermittler auf.
»Und wann heiratet ihr? Oder wollt ihr ewig Verlobte bleiben?«, fragte der Rabbiner das Paar, nach seinem Übertritt zum Judentum. Der schleswig-holsteinische Landesrabbiner hatte den beiden aus der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Mölln in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde die Gijur-Prüfung abgenommen.
»Wir haben sofort einen Hochzeitstermin mit ihm vereinbart«, sagen sie glücklich. Einen Tag nach dem Geburtstag der Braut legten sie fest. Dabei haben die 50-jährige Braut und der 56-jährige Bräutigam gerade erst silberne Hochzeit gefeiert. Aber das ist aus einem anderen Leben.
Am Samstag ist die Generalprobe zur Hochzeit. »Wir werden den Einzug in den Betsaal proben, ich werde unter der Chuppa sieben Mal um Peter herumgehen – wer zählt das eigentlich? – dann üben wir den Auszug in den Festsaal«, sagt Gabi Siegfried, und ihre Stimme zittert vor Aufregung. Beruhigend legt ihr Peter seine Hand auf ihre Hand. Der gemeinsame Weg zum Judentum hat sie eng zusammengefügt.
»Die Chuppa ist der Höhepunkt und die Erfüllung unseres Lebenstraums«, sagt Peter Siegfried feierlich. 120 Gäste haben sie eingeladen. Die Gruppe »Mizwa« aus Hannover spielt, der Koch der Segeberger Kliniken verspricht ein nahezu koscheres Büfett. »Unter den Gästen sind viele, die uns geholfen haben, das Gemeindezentrum aufzubauen, unsere Hochzeit soll auch ein Dankesfest sein«, sagt das Paar, das ab Schabbatbeginn vor der Hochzeit bis zum Sonntag im Segeberger Gemeindezentrum bleiben wird. Seit ihrem ersten Gottesdienst im Mai 2003 leben sie mit der jüdischen Gemeinde Segeberg, nehmen zu jedem Gottesdienst eine Stunde Fahrt bei jedem Wetter in Kauf. Als früh pensionierter Postbeamter nutzt er seine Zeit, um den neuen jüdischen Friedhof in eine Oase der Ruhe zu verwandeln. Beide gestalten den Aufbau des Gemeindezentrums mit. Die Gemeinde ist ihre Heimat geworden.
Einen Tag vor der Hochzeit werden sie zur Tora aufgerufen und gehen in die Mikwe der Synagoge. »Darauf freue ich mich sehr, ich liebe dieses Ritual, es gibt mir Sicherheit«, sagt die Braut, die ihr Hochzeitskleid in einem kleinen Laden auf dem Land ausgesucht hat: »Cremefarben mit dezent roter Spitze«. Der Bräutigam wird einen schwarzen Anzug tragen. Um seiner Frau zu zeigen, wie sehr er sie achtet wird er ihr den Schleier vor das Gesicht ziehen und ihr einen Ring als »Brautpreis« anstecken.
Er wird ein Glas als Erinnerung an die Zerstörung der Tempel, an Trauer und Leid der Juden zetreten. Dann werden sie die Ketuba, den Ehevertrag, unterzeichnen, den sie sich kostbar von Hand schreiben ließen. Besonders freuen sie sich über die Zusage von guten Freunden aus der Gemeinde, die ihre Trauzeugen sein werden. Denn mit diesen Freunden fing ihr jüdisches Leben erst richtig an.
An Peters Seite stehen Walter Blender, Vorsitzender der Segeberger Gemeinde und des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein. Ron Riess, israelischer Weinhändler aus Witzhave bei Hamburg, ist sein zweiter Trauzeuge. Als Peter Siegfried ihn nach einer liberalen jüdischen Gemeinde fragte, empfahl ihm Ron Riess die Gemeinde in Bad Segeberg.
Auch Gabis Trauzeuginnen begleiteten ihren Weg zum Jüdischsein, einmal Mirjam Blender die Ehefrau des Gemeindevorsitzenden, zum zweiten Shoshana Lasovsky, ihre Lehrerin aus Hamburg, die Frau, die sie beide dreimal gefragt hat, ob sie wirklich den jüdischen Glauben annehmen wollen. Shoshana hat das Paar zwei Jahre lang bekocht, in Religion und Hebräisch unterrichtet, intensive Gespräche mit ihnen geführt. Dafür hat Gabriele, Krankenpflegerin von Beruf, ihren einzigen freien Tag hergegeben und ist von Mölln zwei Stunden nach Hamburg gefahren und zurück. »Es war anstrengend und wunderschön«, sagen beide. »Sie hat die Ernsthaftigkeit unseres Gijurs sehr streng hinterfragt, doch als sie wusste, dass ich Brit Mila gemacht habe, war sie beruhigt«, sagt der Bräutigam und seine Braut ergänzt: »Heute ist sie unsere jüdische Mutter.«
Gabriele fand ihren ersten Kontakt zum Judentum über Anne Franks Tagebuch in der Schule, dann forschte sie immer weiter. Peter wurde durch den Sechstagekrieg 1967 auf das Judentum aufmerksam. Auch er las sich immer tiefer in die Religion ein. Heute ist ihr Haus voll Bücher über das Judentum, über Religion und Israel.
Und die Eltern, Verwandten, Freunde? »Kein Problem«, sagen beide. »Viele nehmen Rücksicht auf uns und servieren beispielsweise bei Treffen kein Schweinefleisch.« Kennengelernt hat sich das Paar in einer Eisbar. Sie hatte sich vorgedrängelt und ihn angerempelt. Am 29. April 1983 folgte der Gang zum Standesamt.
Die Chuppa ist für beide auch ein Abschluss einer langen Einlebens-Phase. 2003 war die neue Synagoge noch ein Traum, und der Gottesdienst fand in einem christlichen Gemeindehaus statt. »Gabi und Peter Siegfried sind eine Bereicherung für uns, sie bauen unser Gemeindezentrum mit auf, sind sehr aktiv und sehr oft hier. Deshalb freuen wir uns um- so mehr, dass sie es sind, die als Erste in unserer Synagoge unter die Chuppa treten«, sagt Walter Blender.