Cat Stevens

Der Grenzgänger

von Oliver Marc Hartwich

Auf dem Soundtrack der späten 60er- und frühen 70er-Jahre, also jener Zeit im Niemandsland irgendwo zwischen Beat, Disco und Punk, ist kein Vorbeikommen an Cat Stevens. Mit ruhigen Folksongs wie Father and Son, Wild World und Morning has broken konnte Stevens, der in London geborene Sohn eines zypriotischen Griechen und einer Schwedin, damals ein internationales Publikum für sich gewinnen. Noch vor seinem 30. Geburtstag hatte der Sänger, der eigentlich Steven Demetre Georgiou heißt, weltweit mehr als 40 Millionen Alben verkauft.
Hätte Stevens so weitergemacht, dann würde er nun wohl sein Leben als Folkrock-Legende genießen können. Doch Stevens zog sich Ende der 70er-Jahre abrupt aus dem Musikgeschäft zurück. »Synthetisch« und »nichtig« sei ihm die Szene vorgekommen, und ein Star hätte er ohnehin nie sein wollen, sagte er im Nachhinein. Der eigentliche Grund für seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit war allerdings Stevens’ Konversion zum Islam. Ein nur knapp überlebter Badeunfall vor Malibu, in dem er eine Fügung sah, sowie die Lektüre des Koran betrachtete er als die Auslöser seines radikalen Lebenswandels. Seinen alten Künstler- namen gab er gewissermaßen an der Garderobe ab und nannte sich fortan Yusuf Islam. Musikinstrumente fasste er nicht mehr an; seine Interpretation des Islam verbiete es ihm. Auch mit seiner Kleidung drückte er den Sinneswandel augenfällig aus: Statt mit Jeans und Lederjacke sah man ihn nun in muslimischen Gewändern und manchmal sogar mit Turban.
So deutlich wie sich die Metamorphose des Cat Stevens in Yusuf Islam bereits rein äußerlich zeigte, so sehr änderte sich auch sein Lebensstil. Aus dem vagabundierenden Popstar wurde ein Familienvater. Er heiratete eine türkische Muslima, mit der er inzwischen fünf Kinder hat. Konvertiten neigen dazu, in Glaubensfragen »päpstlicher als der Papst« zu sein. In der Tat wird kaum jemand aus eigenem Antrieb einer anderen Religionsgemeinschaft beitreten, nur um danach seinen gerade gefundenen Glauben zu einer Nebensache zu machen. Yusuf Islam war da keine Ausnahme, wobei es in seinem Fall wohl »ajatollahhafter als der Ajatollah« heißen müsste.
Drei Islamschulen hat Yusuf Islam gegründet, darunter die Islamia-Grundschule im Norden Londons. Sie war die erste muslimische Schule, die von der damaligen britischen Regierung unter Margaret Thatcher anerkannt wurde. In den Berichten der Schulaufsichtsbehörde wird sie regelmäßig als »gut« bewertet und erhält seit einigen Jahren staatliche Zuschüsse. Auch international engagierte sich Yusuf Islam in vielen karitativen Organisationen, besonders für Opfer von Kriegen und Naturkatastrophen.
Während Islams soziales Engagement ihm Anerkennung und eine Reihe bedeutender Auszeichnungen einbrachte, gaben seine politischen Äußerungen immer wieder Anlass zu Aufregung. Als der damalige iranische Staatschef Khomeini den Schriftsteller Salman Rushdie mit einer Fatwa zum Tode verurteilte, nahm Islam an einer Diskussion im britischen Fernsehen teil. Auf die Frage, ob er als gläubiger Muslim dieses Urteil vollstrecken würde, reagierte er ausweichend, versuchte jedoch, die Fatwa wegen Rushdies angeblicher Gotteslästerung in seinem Roman Die Satanischen Verse zu erklären. In der britischen Presse war am folgenden Tag die Schlagzeile zu lesen: »Cat says: Kill Rushdie!« Zwar bemühte sich Islam, seine Aussage abzuschwächen, aber noch Jahre später erklärte er in Interviews, dass Blasphemie seiner Ansicht nach allgemein die Todesstrafe verdiene. Eindeutige Distanzierungen von Mordaufrufen hören sich anders an.
Wie sehr sich Yusuf Islam nach seiner Konversion in die Nähe des islamistischen Fundamentalismus begeben hatte, zeigte sich auch an den Kontakten, die er damals pflegte. Für eine der Hamas nahestehende Organisation verfasste er 1988 eine Schrift mit klar antisemitischem Inhalt. Darin erklärte er unzweideutig, dass es im Nahen Osten nur unter dem Islam Frieden geben könne, nicht jedoch mit den Juden, die weder Gott noch die Schöpfung zu respektieren schienen. Konsequenterweise verweigerte Israel ihm nach diesen Äußerungen 1990 die Einreise.
Doch Yusuf Islam ließ sich davon nicht beeindrucken, hetzte auch in den Folgejahren immer wieder gegen Israel und sammelte dabei Geld für Vereinigungen, die zumindest zum erweiterten Umfeld des Terrorismus zu zählen waren. 1998 trat er bei dem kanadischen Jerusalem Fund for Human Services auf, einer von der kanadischen Regierung als Tarnorganisation der Hamas eingestuften Bewegung. Dort nannte er Israel »eine sogenannte neue Gesellschaft«, das Judentum »eine sogenannte Religion« und forderte, das »Heilige Land« un- ter muslimische Kontrolle zu bringen.
Dass Yusuf Islam ein muslimischer Heißsporn und antisemitischer Scharfmacher war, daran lassen seine Erklärungen in den 80er- und 90er-Jahren kaum einen Zweifel. Aber seit dieser Zeit ist ein abermaliger Wandel bei ihm festzustellen. Was ihn ausgelöst hat, ist schwer zu sagen. Die Terroranschläge des 11. September 2001 dürften ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Islam sich von seinem Radikalismus löste. Unmittelbar nach den Anschlägen gab er eine Stellungnahme heraus, in der er den Terror verurteilte. Kein rechtschaffener Muslim könne diese unvorstellbaren Gewaltakte gutheißen. Für die Opfer der Anschläge von New York und Washington spendete er einen Teil der Verkaufserlöse seiner Musik. Dennoch wurde ihm noch 2004 die Einreise in die USA verweigert, angeblich, weil sein Name auf einer Liste von Terrorverdächtigen stand.
Hat sich Yusuf Islam von seiner Radikalität gelöst? Vielleicht. Zumindest singt er wieder. Vor Kurzem gab es zum Beispiel einen Auftritt im Rahmen des »Live-Earth-Konzerts« in Hamburg. Seine zwischenzeitliche Ablehnung der Musik sei die Folge einer »Ketzerei« gewesen, der Islam lasse Musik in Wirklichkeit zu, erklärte er seinen Sinneswandel. So holte der Mann, der einmal Cat Stevens war, die Gitarre wieder hervor, nahm noch einmal eine Version von Father and Son mit dem früheren Boyzone-Sänger Ronan Keating auf und veröffentlichte vergangenes Jahr sogar ein neues Studioalbum. Wie um seine abermalige Wandlung zu dokumentieren, erschien es unter dem schlichten Künstlernamen Yusuf und klang dabei ganz wie der alte Cat Stevens.
Yusufs Bart ist grau geworden, und es scheint, als sei er nach seiner rastlosen Zeit als Cat Stevens und der radikalen Frühkonvertitenzeit als Mr. Islam nun in ruhigeres Fahrwasser gelangt. Selbst in die USA durfte er wieder einreisen, um sein neues Album vorzustellen. Auf seiner Homepage arbeitet Yusuf der Reihe nach die Fragen ab, die ihm am häufigsten gestellt werden: Ob er die Hamas unterstütze (nein), Meinungsfreiheit akzeptiere (ja) oder Kontakte mit Terroristen pflege (nein). Er weiß, warum ihm diese Fragen gestellt werden. Wahrscheinlich wäre es ehrlicher, sich zu seiner früheren Radikalität zu bekennen, statt nun so zu tun, als habe er niemals mit der Fatwa gegen Rushdie sympathisiert oder irgendetwas mit islamistischen Gruppen zu tun gehabt. Stattdessen bemüht er sich, die Erinnerung daran durch karitatives und friedliches Engagement vergessen zu machen. »Tätige Reue« würden Juristen dies wohl nennen.

Kultur

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