von Wladimir Struminski
»Das israelische Bankenwesen sieht sich nicht den Problemen gegenüber, die bei ausländischen Banken gegeben sind«, sagt Stanley Fischer, der Gouverneur der Bank von Israel, zur Bedeutung der Finanzkrise für den kleinen Mittelmeerstaat. Die Gelassenheit des Zentralbankchefs rührt daher, dass Israel aus seiner großen Bankenkrise des Jahres 1983 gelernt hat. Damals hatten die Finanzinstitute den Wert ihrer Aktien durch unzulässige Manipulationen in die Höhe getrieben. Als das Kurswachstum wie eine Blase platzte, wurden alle großen Banken des Landes insolvent und mussten von der Regierung aufgekauft werden. In der Folge wurde die Bankenaufsicht erheblich verstärkt. In der heutigen Situation kommt das wie gerufen.
Lediglich die Neuwahlen, die Außenministerin und Kadima-Chefin Zipi Livni für Februar ankündigte, sorgen für etwas mehr Nervösität. Bis die neue Regierung steht, könnte es Ende März werden. So besteht die Gefahr, dass das Land in den kommenden Monaten ruderlos dahindriftet. Griffe die Finanzkrise auf Israel über, wäre eine voll ausgewachsene Rezession unvermeidlich. Doch vorerst wird damit nicht gerechnet.
Auch der Schekel hat sich in der Krise als stark erwiesen. Zwar verlor die israelische Währung gegenüber dem erstarkenden Dollar rund 17 Prozent an Wert, wurde aber gegenüber dem Euro um ein Zehntel aufgewertet. Von einer Flucht aus der Binnenwährung, wie sie in anderen Ländern stattfindet, ist in Israel bisher nichts zu merken.
Eine wasserdichte Garantie für finanzielle Stabilität gibt es aber nicht, und Krisensymptome zeigen sich auch in Israel. Die Tel Aviver Börse erlebte einen Sturz. Rentenfonds, die die Altersversorgung ihrer Anleger sichern sollen, schreiben rote Zahlen. Wenn aufgrund solcher Verunsicherungen Kunden in Scharen die Bankschalter stürmen und ihr Geld fordern, könnte es eng werden.
Doch für diesen Fall stellt Zentralbankchef Fischer eine umfassende Intervention des Staates in Aussicht, die allerdings die Wirtschaftsstabilität des Landes erschüttern könnte. Die bisher von der Regierung eingeplanten sechs Milliarden Schekel – umgerechnet rund 1,3 Milliarden Euro – nehmen sich vor dem Hintergrund der amerikanischen und europäischen Summen bescheiden aus – auch dann, wenn man den Größenunterschied der Volkswirtschaften in Rechnung stellt. Sollte der Ernstfall eintreten, müsste die Regierung tiefer in die Tasche greifen.
Um das zu verhindern, übt sich Finanzminister Ronnie Bar-On in angewandter Massenpsychologie. Die israelische Wirtschaft, lobt der oberste Kassenwart, habe sich als reif und stark erwiesen. Eine Intervention der Regierung will er dennoch nicht ausschließen, aber erst, »wenn alle Stricke reißen«. Zugleich will das Kabinett die Wirtschaft ankurbeln, doch ist der Ausgang ihrer Bemühungen ungewiss. Zum einen kann ohne eine parlamentarische Regierungsmehrheit kein Staatshaushalt für 2009 verabschiedet werden. Die noch amtierende Übergangsregierung unter Ehud Olmert müsste – möglicherweise bis Mai nächsten Jahres – mit einem Notetat auf Vorjahresgrundlage auskommen. Dort aber sind die für ein Konjunkturprogramm erforderlichen Mittel nicht vorgesehen.
Doch auch ein eventuelles Konjunkturprogramm könnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Boom der vergangenen fünf Jahre vorbei ist. Nachdem die Wirtschaft Mitte 2003 die Talsohle einer Rezession verlassen hatte, ging es scheinbar unaufhaltsam nach oben. 2004 bis 2007 wuchs die Wirtschaft um durchschnittlich 5,3 Prozent pro Jahr. Dieselbe Wachstumsrate konnte auch noch in der ersten Hälfte dieses Jahres verbucht werden. Es schien, als machte die internationale Wirtschaftsebbe vor dem Mittelmeerland Halt.
Doch die schlechten Weltmarktdaten machen sich auch hier bemerkbar. Etliche in der Kreditklemme steckenden Auslandskunden springen ab. Für die israelische Industrie, die ihr Wachstum nur auf dem Weltmarkt erzielen kann, ist das ein schwerer Schlag. Zwei von drei israelischen Betrieben haben Käufer in Übersee verloren. Das hat Entlassungen zur Folge. Laut einer Umfrage der Industriellenvereinigung hat jeder zweite Hersteller in der zweiten Jahreshälfte Mitarbeiter entlassen oder wird es bald tun. Einer anderen Umfrage zufolge bangt jeder fünfte Beschäftigte um seinen Arbeitsplatz.
Die Wachstumssaussichten für 2009 sind entsprechend trüb. Offiziell geht die erst im September für das kommende Jahr gestellte Prognose des Finanzministeriums von einem Realwachstum von 3,5 Prozent aus, doch gilt die Vorhersage jetzt schon als Makulatur. Die Bank von Israel hat ihre Wachstumsprognose bereits auf 2,5 bis 2,9 Prozent heruntergesetzt. In Bankenkreisen gilt sogar ein Rückgang der realen Wirtschaftsexpansion auf zwei Prozent als wahrscheinlich.