von Yossi Alpher
Die Liste der Fehler in der Nahostpolitik des scheidenden US-Präsidenten George W. Bush ist lang; die Versäumnisse wiegen schwer und reichen in den Beginn seiner achtjährigen Amtszeit zurück. Deshalb ist es angebracht, eine Bilanz mit der Liste seiner Erfolge zu beginnen.
Richtig ist: Die US-Armee hat mit den Taliban in Afghanistan und mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein zwei scheußliche Regimes beseitigt. George W. Bush konnte der Terrororganisation Al Kaida und anderen militanten Islamisten herbe Schläge zufügen und damit nach dem 11. September 2001 weitere Attentate in den USA verhindern. Im Sudan, wo seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg zwischen dem islamistischen Norden und dem christlichen Süden herrschte, vermochten es Washingtons Emissäre mit bewunderungswürdigem diplomatischem Geschick, eine Autonomie für die Südsudanesen zu erreichen. Und als erste US-Regierung hat die Bush-Administration deutlich erklärt, dass der Nahostkonflikt nur mit der Entstehung eines palästinensischen Staates zu lösen wäre. Sie machte die Zwei-Staaten-Lösung zur offiziellen Politik.
An diesem Punkt beginnt aber auch die lange Liste seiner eklatanten Fehler und Versäumnisse. Bush unternahm so wenig, um diese Zwei-Staaten-Lösung in die Realität umzusetzen, dass damit seine gesamte Nahostpolitik an Glaubwürdigkeit verlor. Er ignorierte die saudische Friedensinitiative, die eine Möglichkeit der Zusammenarbeit Israels, der USA und moderater arabischer Staaten im Kampf gegen die Be- drohung durch den Iran und durch militante Islamisten bot. Von dieser Kooperation hätten alle Beteiligten profitiert. Dieses Versäumnis wurde noch zigfach durch die klare Weigerung verschlimmert, aktiv syrisch-israelische Friedensgespräche anzuregen und zu unterstützen. Und das, obwohl Präsident Baschir al Assad in den vergangenen zwei Jahren förmlich um die Aufmerksamkeit Washingtons und Jerusalems bettelte.
Diese Weigerung wirkte sich äußerst nachteilig auf die amerikanischen Interessen bezüglich des Iran, Irak und des Libanon aus. Gerade in diesen Ländern ging die Nahostpolitik der Bush-Regierung komplett schief. Der Iran konnte seinen Einfluss spätestens mit dem Beginn des Irakkrieges enorm ausbauen. Nicht nur setzte Washington als Teil seines Demokratisierungsprozesses fälschlich auf eine möglichst baldige Durchführung von Wahlen, anstatt zuerst den Aufbau einer Zivilgesellschaft zu fördern.
Das verlieh pro-iranischen militanten Gruppen im Irak, Libanon und Palästina unerhörten Auftrieb. Hamas, Hisbollah und radikale Schiiten im Irak konnten Mehrheiten für sich gewinnen. Obendrein führte Bush noch einen Regimewechsel in Bagdad herbei, ohne sich über die Konsequenzen im Klaren zu sein, ohne für eine realistische Alternative zu Saddam Husseins Regime gesorgt zu haben und ohne zu bedenken, dass der Diktator in den Augen der sunnitischen Araber eine wichtige Aufgabe erfüllt hatte: den Iran in Schach zu halten.
Die nuklearen Ambitionen eines Machmud Ahmadinedschad würden heute weit weniger bedrohlich wirken, wäre es Teheran in den vergangenen Jahren nicht gelungen, seine hegemonialen Ambitionen im Irak, im Gasastreifen und im Südlibanon auszubauen. Dort herrschen mit der Hamas und der Hisbollah zwei vom Iran protegierte islamistische Organisationen. Schließlich vergab George W. Bush auch noch die Chance, Al Kaida und deren Helfershelfer, die radikalen Taliban, effektiv zu bekämpfen, indem er sich vornehmlich auf den Irak konzentrierte, anstatt auf Afghanistan und Pakistan.
So hinterlässt Bush von Palästina bis Pakistan seinem Nachfolger ein äußerst problematisches Erbe. Es ist unausweichlich – und beklagenswert – dass der nächste Präsident in den ersten Monaten seiner Amtszeit sein strategisches Augenmerk auf den östlichen Rand des Nahen und Mittleren Ostens richten muss: auf Afghanistan, Iran und Irak. Das lässt nur wenig Raum und Kraft übrig, um sich dem israelisch-arabischen Konflikt zu widmen.
Der Autor ist Redakteur des Online-Portals »bitterlemons.org«, einer Plattform für israelisch-arabische Debatten. Er war Direktor des Jaffee Centers für Strategische Studien der Universität Tel Aviv und Sonderberater des Premiers Ehud Barak.