»Der Friedensprozeß im Nahen Osten
muß weitergehen«
Paul Spiegel über Scharon, Nachfolger und Friedenssehnsucht
Herr Spiegel, Sie haben Ariel Scharon zuletzt im Februar in seiner Residenz getroffen. Was für einen Eindruck hat der israelische Ministerpräsident auf Sie damals gemacht?
spiegel: Eine starke Persönlichkeit, die ganz genau weiß, was sie will. Nicht nur, wenn es um Israel und den Nahen Osten geht, sondern auch als laute Stimme im Kampf gegen den erstarkenden Antisemitismus.
In Deutschlands Synagogen wurde für das Wohl des israelischen Premiers gebetet. Von der offiziellen Politik gab es viele Genesungswünsche. Hat Sie die Anteilnahme überrascht?
spiegel: Überrascht hat mich das nicht, aber gewundert habe ich mich schon. Lange Zeit galt Ariel Scharon hierzulande ja als entschiedener Friedensgegner. Seit kurzem, vor allem nach dem erfolgreichen Rückzug Israels aus dem Gasastreifen, wird der Ministerpräsident fast schon als Friedensbringer gelobt. Das zeigt doch ganz klar, daß seine Politik auf den Frieden im Nahen Osten ausgerichtet war.
Kann ein anderer israelischer Politiker überhaupt die Lücke füllen, die Ariel Scharon aller Voraussicht nach hinterlassen wird?
spiegel: Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten, und dazu noch eine sehr starke. Deshalb bin ich recht zuversichtlich, daß sich eine Persönlichkeit finden wird, die die Lücke schließen kann. Vizepremier Ehud Olmert kommt sicherlich als möglicher Nachfolger in Frage. Ich muß aber zugeben, daß die Schuhe, die Ariel Scharon hinterläßt, sehr groß sind.
Politische Beobachter sehen den Nahen Osten nach Scharons schwerer Erkrankung vor einer düsteren Zukunft und sprechen schon von einem Ende, zumin0dest von einer Unterbrechung des Friedensprozesses. Teilen Sie diese Meinung?
spiegel: Es gibt zum Frieden im Nahen Osten keine Alternative. Natürlich müssen beide Seiten Zugeständnisse machen. Die Räumung des Gasastreifens war von seiten Israels ein sehr großes Zugeständnis. Der Friedensprozeß muß weitergehen – im Interesse beider Seiten.
Mit dem Präsidenten des Zentralrats
der Juden in Deutschland sprach
Christian Böhme.