Mirjam Marcus

»Der finanzielle Druck ist groß«

Frau Marcus, das Schuljahr ist recht turbulent zu Ende gegangen. Besonders die Erhöhung des Schulgeldes und die Streichung der Subvention für die Schulbusse haben für erhebliche Unruhe gesorgt. Die Gemeinde hat ein Millionendefizit, aber warum müssen die Eltern die Zeche zahlen?
marcus: Das ist sehr komplex. Das einkommensgestaffelte Schulgeld ist seit 2003 nicht mehr erhöht worden. Natürlich ist die Erhöhung jetzt sehr heftig ausgefallen. Er wäre verträglicher gewesen, wenn der vorherige Vorstand alle zwei Jahre eine Anpassung vorgenommen hätte. Es ist aber absolut notwendig, weil die Finanzierung der Schulen einen großen Teil des Gemeindebudgets ausmacht. Der Bereich Jugend, Schule und Erziehung nimmt 29 Prozent des Haushaltes ein. 19 Prozent des gesamten Etats beanspruchen Grund- und die Oberschule. Zum Vergleich: der Kultus liegt bei 14 Prozent.

Und welchen Teil macht die Verwaltung aus? Ist Kultus und jüdische Bildung der Kinder nicht das Wichtigste, was eine jü-
dische Gemeinde leisten muss?
marcus: Das steht außer Frage. Die Verwaltung macht 22 Prozent aus und liegt damit unterhalb »meines« Etats.

Zurück zu den Kosten für die Eltern. Warum müssen die jetzt nicht nur fürs Schulgeld, sondern auch noch für die Schulbusfahrten mehr bezahlen?
marcus: Bisher haben die Eltern 40 Euro selbst aufgebracht. Die anderen Kosten la-
gen bei der Gemeinde. Der Berliner Senat hatte bis 2006 mit 79.000 Euro den Transport mitfinanziert. Diese Förderung wurde gestrichen. Seitdem übernimmt die Gemeinde auch diesen Anteil. Die Buskosten beliefen sich bisher auf 310.000 Euro, davon hatten die Eltern 85. 000 Euro bezahlt. Jeder Platz im Schulbus kostet durchschnittlich monatlich 180 Euro. Dadurch rutscht die Ge-
meinde im Haushalt immer wieder in ein Defizit hinein, das wir uns nicht mehr erlauben können.

Was sollen die Eltern jetzt tun?
marcus: Das ist sehr, sehr schmerzlich für Eltern, die darauf angewiesen sind. Wir haben aber Alternativen. Es gibt den BVG-Bus von Kreuzberg über den Kudamm zur Grundschule, der wird von Erziehern begleitet. Noch so einen Bus wollen wir von der Nordseite haben, der in Moabit anfängt und in die Waldschulallee reinfährt. Außerdem soll die Schule jetzt wieder einen Früh- und Spätdienst haben, so dass die Eltern bessere Möglichkeiten haben, ihre Kinder selbst zu fahren.

Trotz dieser Alternativen sollen sich bereits 30 Schüler abgemeldet haben. Stimmt das?
marcus: Das stimmt so nicht. Bisher liegen mir nur 17 Abmeldungen vor, die nachvollziehbar aufgrund der Verkehrssituation ge-
schehen sind. Das kann sich natürlich noch ändern. Aber die Eltern werden in diesen Tagen auch erfahren, wie viel der Transport für sie genau kosten wird. Es ist uns gelungen, andere Routen auszumachen. Der Platz im Bus wird dann zwischen 90 und 120 Euro kosten.

Eine Erhöhung um mehr als 100 Prozent. Wer soll das bezahlen? Bei der BVG gehen die Fahrgäste schon bei Fahrpreiserhöhungen um zwei Prozent auf die Barrikaden.
marcus: Die Gemeinde kann nicht mehr dafür aufkommen.

Noch einmal: Sollte eine Gemeinde nicht an anderer Stelle den Rotstift ansetzen, als ausgerechnet bei den Kindern zu sparen?
marcus: Es geht nicht allein darum zu sparen, es ist viel ernster. Es geht darum, das Defizit von 15 Millionen Euro, das die Ge-
meinde in den vergangenen Jahren angesammelt hat, nicht mehr zu erweitern. Es wird auch in anderen Bereichen gespart. Der fi-
nanzielle Druck der Gemeinde ist so stark, dass ich im Vorstand meine Kollegen leider nicht überzeugen konnte. Ich habe darum gekämpft, wenigstens ein paar Monate später die Anpassung des Schulgeldes und des Schulbusses umzusetzen. Aber einem nackten Mann kann man kein Geld aus der Tasche ziehen – so ist leider die derzeitige Situation. Im Übrigen gibt es trotz Mahnungen noch Schulgeldrückstände von 120.000 Euro.

Fürchten Sie die Konkurrenz weiterer jüdischer Privatschulen? Nach Chabad eröffnet nun auch eine Lauder-Grundschule. Dort soll jedes Kind mit Schulbussen von zu Hause abgeholt werden, in Begleitung jüdischer Erzieher.
marcus: Das tun sie aber auch nicht für 40 Euro. Natürlich sind sie Konkurrenz, aber sie sind auch ein zusätzliches Angebot. Deshalb hat auch die Jüdische Gemeinde das Patronat für diese Einrichtungen übernommen, was die Gemeinde keinen Cent kostet.

Damit ist die Frage nicht beantwortet: Fürchten Sie die Konkurrenz? Während die Grundschule der Gemeinde Abmeldungen registriert, freuen sich Chabad und Lauder über Anmeldungen.
marcus: Dass sie die Schüler direkt von uns übernehmen, sehe ich nicht. Da haben die Eltern bestimmt auch Schwierigkeiten, ihre Kinder hinzubringen.

Haben Sie die Kinder orthodoxer oder jüdisch-traditioneller Eltern insgesamt aufgegeben? Angeblich sollen selbst die orthodoxen Rabbiner nicht mehr in den Schulen willkommen sein.
marcus: Selbstverständlich nicht. Es gibt ein Problem, das ist leider nicht zu lösen. Wenn Rabbinerin Gesa Ederberg öffentlich auftritt, will ein orthodoxer Gemeinderabbiner nicht kommen. Ich schließe die Rabbiner nicht aus, schließlich bin ich selber jüdisch traditionell.

Noch einmal zur religiösen Ausrichtung. Rabbinerin Ederberg ist Geschäftsführerin von Masorti, Sie waren Vorsitzende des Vereins, jetzt hat Ihr Mann den Posten inne. Der Ehemann der Rabbinerin, Nils Ederberg, ist neuer Gesamtelternvertreter an der Galinski-Schule. Können Sie da wirklich auch orthodoxe Interessen vertreten?
marcus: Das kann ich mit Nachdruck versichern. Ich bin in einer Einheitsgemeinde aufgewachsen und fühle mich der verpflichtet. Dass ich natürlich persönlich mit meinen 55 Jahren einen Standpunkt und Standort gefunden habe, ist einer Einheitsgemeinde eher förderlich als abträglich.

Miron Schumelda, der kommissarische Schulleiter, verlässt die Heinz-Galinski-Schule, er wechselt zur Lauder Schule. Was sagen Sie dazu?
marcus: Wir legen ihm da keine Steine in den Weg. Wir müssen nur zusehen, dass in unserer Heinz-Galinski-Schule alles vorbereitet ist. Wir streben eine Dauerlösung an. Es gibt eine Bewerberin auf die Rektorenstelle, die sich im Schulausschuss vorstellen wird. Darin sehen wir einen neuen Impuls für die Schule.

Das Gespräch führte Christine Schmitt.

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