von Martin Krauss
Auch der Umstand, dass seine Hand verbunden ist, kann den Eindruck nicht verhindern, dass Jacob Perry alles im Griff hat. »Ach so, das meinen Sie«, lacht er und hebt den Unterarm hoch. »Ich bin gestürzt, in meinem Haus in Israel.« Eine verletzte Hand stört Perry nicht. Auch dass die Haarpracht des 64-Jährigen nicht mehr voll ist, ändert nichts an dem Gefühl, einem sehr jugendlichen Macher gegenüberzusitzen. Ein offenes weißes Hemd, unter dem das Unterhemd zu sehen ist, ein fester Hände- druck und dazu eine kräftige Stimme, die das Gespräch am liebsten selbst lenkt. Fragen oder gar Widerspruch können sich zu dem Vorstandsvorsitzenden der Mizrahi-Tefahot-Bank nur mühsam durchkämpfen.
Perry ist es gewohnt, zu führen. Bevor er der wichtigste Mann in Israels viertgrößter Bank wurde, stand er Cellcom Israel vor, und davor war er Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet. Stillstand war da nie. »Als ich am 1. März 1995 den Schin Bet verließ, hatte ich zwei Wochen später schon vier, fünf interessante Angebote«, sagt er. Am 1. April war er Vorstandsvorsitzender von Cellcom. »Der Mobiltelefonmarkt begann ja damals erst«, berichtet er von seinem Erfolg. »Als ich wegging, hatte Israel eine Handy-Dichte von 120 Prozent. Im Durchschnitt hat jeder Israeli mehr als ein Handy.«
Seit 2003 ist Perry bei der Mizrahi-Bank, und seine Macherfähigkeiten wurden gleich gebraucht. 2004 nämlich fusionierte Mizrahi mit Tehafot. »Vorher gehörte die Tefahot-Bank schon zu 85 Prozent Mizrahi«, sagt er. »Nun also ganz.« Die Bank gehört den Ofers und den Wertheims, zwei der reichsten Familien Israels. Die Ofer-Familie verdient ihr Geld mit Schiffen, den Wertheims gehört unter anderem Coca-Cola Israel.
Was macht einen Geheimdienstler zum Unternehmer? »Einiges«, antwortet er. »Was ich von Schin Bet mit in die Geschäftswelt nahm, sind meine Führungsqualitäten. Ich beherrsche das Krisenmanagement, ich kann Menschen führen. Man arbeitet mit Menschen, deren Handeln man einschätzen können muss. Und man muss schnell reagieren können. Das wiederum hat eine hohe Selbstdisziplin zur Voraussetzung.«
Dass Perry so agiert, wie er spricht, glaubt man ihm. »Bei der Bank habe ich die Führungsebene ausgetauscht: jüngere Leute reingeholt. Das hat funktioniert.« Perry schaut auf das Funktionieren des großen Ganzen. »Als Banker tauge ich nicht viel«, kokettiert er mit seiner fehlenden Ausbildung. »Ich kann über Regulierung sprechen, über Strategien, ich rede mit den großen Klienten, und ich habe über wichtige Personalien zu entscheiden. Wenn ich mit einem Kunden zusammensäße und der Fragen nach Gewinnerwartung hätte, könnte ich nichts sagen. Aber wir haben ja zum Glück hervorragende Leute. Und ich schäme mich nicht, zu fragen.«
Perry ist weder gelernter Banker oder Ökonom, noch war er gelernter Geheimdienstler oder Militär. Studiert hat er Orientalistik, aber eigentlich war da immer noch etwas anderes. »Ich war Musiker«, sagt er. »Trompeter, und zwar in einigen Orchestern.« Dass ein Musiker solch eine Karriere einschlägt, findet Perry zumindest nicht unlogisch. »Dass ich Musiker war, hat mir immer geholfen. Erstens brauchst du als Musiker eine große Selbstdisziplin. Zweitens, ein Musiker muss zuhören können. Und drittens, ein Management ist wie ein Orchester.« Wie sich das konkret auswirkt, illustriert er wieder mit Blick auf seine Anfangsjahre bei der Mizrahi-Tefahot-Bank. »Als ich hier anfing, hatte ich acht Vizepräsidenten, die alle glaubten, sie seien Solisten. Aber sie waren in einem Orchester.«
Wie hoch Perrys Anteil daran ist, lässt sich schwer sagen, aber die Mizrahi-Tefahot-Bank steht gut da. »Insgesamt sind wir in Israel die viertgrößte Bank«, sagt er, »aber in einigen Bereichen sind wir schon die Nummer eins.« Vor allem hält Perry Israel für einen guten Standort. »Die Banken und Finanzmärkte sind sehr stabil.« Und spätestens bei dieser Beurteilung kommt sein Wissen als früherer Geheimdienstchef wieder zum Tragen. Jacob Perry ist nämlich auch ein gefragter Referent zu friedens-, geo- und wirtschaftspolitischen Fragen im Nahen Osten. »Die wirtschaftlichen Rahmendaten von Israel sind sehr gut. Die Inflation ist sehr niedrig, das Hightech-Potenzial ist enorm groß«, sagt er. »Und der Frieden wird kommen. Man muss Geduld haben. Ich glaube, das Bank- und Immobiliengeschäft in Israel ist weniger gefährlich als in den USA.«
Hier, immerhin, duldet auch die kräftige Stimme Jacob Perrys Widerspruch. »Ja, das ist vielleicht etwas überspitzt gesagt, aber es macht unsere Sicht etwas deutlicher.« Es macht auch den Erfolg von Perry etwas deutlicher: Er kann die Dinge so klar benennen, als seien sie das Motiv eines Musikstücks. Was ihm wichtig ist, muss deutlich herauszuhören sein. »Seit einiger Zeit spiele ich wieder Trompete«, sagt er. »30 Jahre habe ich das Instrument nicht angerührt. Jetzt spiele ich wieder und zwar in einem Orchester in Jerusalem.«
Über die Musik kommt eine weitere Seite des Bankmanagers zum Vorscheint: der sich im Ehrenamt engagierende Jacob Perry. »Etwa 20 Prozent meiner Zeit verbringe ich so.« Lange war er Berater des Premierministers für Kriegsgefangene und vermisste Soldaten. Er engagiert sich aber auch im israelischen Filmbord und, natürlich, für das Jerusalemer Sinfonieorchester.
Egal, was er macht, Jacob Perry kommt immer auf die Musik zu sprechen. »Immer wenn ich als Zuhörer in einem Konzert bin, denke ich mir, dass ich auch gerne da oben säße. Ich bin da richtig neidisch.« Sein Sohn Amir, mittlerweile 40 Jahre alt, ist in Israel ein bekannter Musiker. »Ob ich stolz bin, fragen Sie mich? Ich bin neidisch!«