von Salomon Korn
Am 23. Mai 2008 ist Adolf Diamant im Alter von 84 Jahren gestorben.
Adi, wie ihn seine Familie und Freunde nannten, wurde 1924 in Chemnitz geboren. 1938 musste er die Schule verlassen, wurde ein Jahr später in das Ghetto Lodz umgesiedelt und 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Noch im selben Jahr wurde er zur Zwangsarbeit in die Braunschweiger Firma Büssing überstellt, wo ihn Anfang 1945 die Amerikaner befreiten. 1948 meldete er sich freiwillig zur israelischen Armee und rückte mit deren Truppen während des Befreiungskrieges in Beer Schewa und Eilat ein.
Sprache ist auch Heimat. Das wurde Adi Diamant, wie vielen anderen deutsch-jüdischen Flüchtlingen klar, als er Anfang der 50er-Jahre in das Land seiner Muttersprache zurückkehrte.
Als einer der Ersten verklagte er die Firma Büssing auf eine Entschädigungszahlung für geleistete Zwangsarbeit und gewann 1965 den Musterprozess. Die ihm zuerkannte Zahlung von 1.788, Mark wurde jedoch unter Berufung auf Abwertung der Reichsmark auf 178,80 DM herabgesetzt.
1965 heiratete er Maria Montag, 1968 und 1973 wurden die Söhne Michael und Henry geboren. In dieser Zeit bereits begann Adi seiner eigentlichen Neigung, der historischen Forschung und Aufarbeitung vernachlässigter Felder jüdischer Geschichte in Deutschland nachzugehen.
Sein Privatarchiv umfasste Tausende Fotos, Dokumente und Zeitungsausschnitte. Daraus entstanden Hunderte Zeitungsartikel und Dutzende Bücher. Dazu zählt die 1970 erschienene Chronik der Juden seiner Geburtsstadt Chemnitz sowie die Chroniken der Juden von Zwickau und Dresden. Über Frankfurt und Deutschland hinaus bekannt wurden unter anderem seine Dokumentationen über die Zerstörten Synagogen vom November 1938 und die Bestandsaufnahme Jüdische Friedhöfe in Deutschland. Die Deportationsbücher der aus Frankfurt am Main zwischen 1941 bis 1945 verschleppten Juden dienten als Grundlage für die Gedenkwand im Jüdischen Museum und an der Gedenkstätte Börneplatz.
Adi Diamants Wunsch nach einer akademischen Laufbahn blieb ihm wegen der Nazi-Verfolgung versagt. Seine unermüdliche Forschungstätigkeit fand dennoch große Anerkennung und wurde durch zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz, gewürdigt. Mit Stolz und Dankbarkeit nahm er diese Auszeichnungen an. Sein Wunsch nach einer Ehrenpromotion blieb ihm jedoch versagt. Nach dem Tod seiner Frau im März 2000 übereignete Adi Diamant sein Archiv dem Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin und stellte seine Forschertätigkeit zugunsten der Aufrechterhaltung des Familienlebens zurück. Stets aber blieb er ein wachsamer Beobachter der Öffentlichkeit und scheute sich bis ins hohe Lebensalter hinein nicht, seine Stimme zu erheben, wenn er antisemitische oder antiisraelische Tendenzen feststellte. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Energie Menschen, die der Hölle der nationalsozialistischen Verfolgung entronnen sind, sich ein neues Leben aufbauen konnten. Hinter der scheinbaren Normalität sind aber bei näherem Hinsehen Risse sichtbar geworden und Teile des Seelenlebens blieben aus Gründen des Selbstschutzes für immer versiegelt. Trotz seines ausgeprägten Überlebenswillens galt dies auch für Adi Diamant. Er hatte zwar Auschwitz verlassen, aber Auschwitz hatte ihn nicht verlassen.
Der Autor ist Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.