Herr Graumann, mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag für Israel und gegen den Terror der Hamas demonstriert. Ist damit ein deutliches Zeichen der Solidarität gesetzt worden?
Graumann: Wir alle wollten zeigen, wie sehr wir uns gerade in diesen Tagen mit Israel verbunden fühlen. Juden in Deutschland sind ja leider keine wirklich große Gemeinschaft. Aber jeder, der am Sonntag dabei war, hat, wie ich selbst, gespürt: Was uns an Menge fehlt, das kompensieren wir durch Intensität, Solidarität und Emotionalität.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich gleich zu Beginn der israelischen Offensive auf die Seite des jüdischen Staates gestellt. Gefährdet sie damit nicht Deutschlands Rolle als Vermittler in Nahost?
Graumann: Die Haltung der Bundeskanzlerin kann ich immer wieder nur bewundern. Ganz bewusst widersteht sie den heftigen Versuchungen von Demoskopie und Populismus. Frau Merkel betreibt Israel gegenüber eine Politik, die sich auf moralische Prinzipien gründet. Das verdient allerhöchsten Respekt. Genau dieser Mut verschafft der deutschen Politik Glaubwürdigkeit, nach innen wie nach außen. Die FDP zum Beispiel könnte sich davon eine Scheibe abschneiden. Von ihr hört man derzeit nur recht lauwarme »Sowohl als Auch«-Statements. Für eine Partei, die den Anspruch erhebt, demnächst den deutschen Außenminister zu stellen, ist das verdammt wenig.
Führende Vertreter der Partei Die Linke gehen mit Israel hart ins Gericht. Ist das legitime Kritik am Vorgehen Jerusalems, oder kommt da ein alter Antizionismus zum Vorschein?
Graumann: Die Linkspartei präsentiert sich in dieser Frage erneut als »Master of Desaster«. Offensichtlich lebt das alte SED-Gift, der böse Israelhass, in der neuen Linkspartei munter fort. Geradezu genüsslich kosten dort im Moment viele Funktionäre ihre hässlichen israelfeindlichen Reflexe aus.
Ist der Versuch der moderaten Kräfte um Gregor Gysi und Petra Pau gescheitert, die Linkspartei von ihrem antiisraelischen Kurs abzubringen?
Graumann: Dieser Versuch ist leider kläglich gescheitert. Offenkundig haben die antiisraelischen Betonköpfe das Kommando behalten. Solange das so ist, katapultiert sich die Linkspartei schon allein aus diesem Grund ins politische und moralische Abseits.
Mit dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden sprach Christian Böhme.