Hellmuth Karasek

»Der Balzac Amerikas«

Herr Karasek, Anfang Oktober wird der diesjährige Nobelpreisträger für Literatur bekannt gegeben. Schafft es der amerikanische Autor Philip Roth endlich?
Die Wahrscheinlichkeit ist größer geworden. Philip Roth, der die Auszeichnung seit vielen Jahren verdient hätte, war in der Vergangenheit vom Nobelpreiskomitee gewissermaßen in Beugehaft genommen worden.

Wofür?
Weil der unbeliebte George W. Bush Amerikas Präsident war. Das vermute ich zumindest. Das Komitee hat ja 2008 in schöner Offenheit erklärt, die US-Literatur habe derzeit nichts zu sagen. Dahinter kann sich doch nur ein politisches Vorurteil verbergen.

An den literarischen Qualitäten von Roths Werk kann es kaum liegen. Die werden doch nicht infrage gestellt, oder?
Stimmt. Aber bei der Vergabe des Literaturnobelpreises spielen auch politische Gründe eine Rolle, berechtigte und unberechtigte.

Zum Beispiel?
Denken Sie etwa an Boris Pasternak und sein Buch »Doktor Schiwago«. Der russische Autor erhielt 1958 den Nobelpreis, um die literarische Opposition in der Sowjetunion zu stärken. Und 1991 ist Apartheidgegnerin Nadine Gordimer aus Südafrika mit dieser Auszeichnung geehrt worden. Das sind berechtigte politische Gründe.

Und dass Roth bisher leer ausgegangen ist, hat unberechtigte politische Gründe?
Genau. Dem im Januar verstorbenen John Updike erging es ja ähnlich. Aber ich hoffe, dass solche Vorbehalte mit dem Regierungsantritt von US-Präsident Barack Obama aus der Welt sein müssten.

Was zeichnet Philip Roths Werk aus?
Dass er in seinen Romanen die condition humaine gegen Ende des 20. Jahrhunderts definiert hat: Vater-Sohn-Beziehungen, Familienspannungen, den Kampf der Geschlechter, Alter, Krankheit und Tod. Er ist auf den Spuren und als Nachfolger Saul Bellows der Balzac Amerikas, der Figuren wie »Hiob« oder »Jedermann« in moderne Sozialmythen verwandeln kann.

Welche Rolle spielt das Judentum in den Büchern des jüdischen Schriftstellers Roth?
Eine sehr große. Aber sie handeln auch von Rassismus und vermeintlicher politischer Korrektheit. In »Der menschliche Makel« verheimlicht ein hellhäutiger Literaturprofessor aus Angst vor Diskriminierung seine afroamerikanische Herkunft. Als er dann während einer Vorlesung schwarze Studenten als »dunkle Gestalten« bezeichnet, wird ihm Rassismus vorgeworfen.

Gibt es ein Buch von Philip Roth, das Sie besonders schätzen?
In gelungener Übersetzung gibt es jetzt »Portnoys Beschwerden«. Ein großes Buch über die Probleme, Wunder und Verhängnisse, die aus der Sexualität resultieren. Und dafür ist Philip Roth ein wirklich meisterhafter Autor.

Debatte

So reagiert die EU auf die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant

Bei einem Besuch in Jordanien hat sich der EU-Außenbeauftragte Borrell zum Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Netanjahu geäußert - mit einer klaren Botschaft

 21.11.2024

USA: »Wir lehnen die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für die Situation grundsätzlich ab«

 21.11.2024

Niederlande: Wir würden Netanjahu festnehmen

 21.11.2024

Haftbefehl gegen Netanjahu: Kanada will Gericht folgen

 21.11.2024

Berlin

Scholz soll am Montag als Kanzlerkandidat nominiert werden

Nach dem Verzicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll Bundeskanzler Olaf Scholz am kommenden Montag vom SPD-Vorstand als Kanzlerkandidat für die Neuwahl des Bundestags nominiert werden

von Michael Fischer  21.11.2024

New York

USA blockieren Gaza-Resolution, Israel bedankt sich

Israels UN-Botschafter Danon: »Resolution war Wegbeschreibung zu mehr Terror und mehr Leid«

 21.11.2024

Uni Würzburg

Außergewöhnlicher Beitrag

Die Hochschule hat dem Zentralratspräsidenten die Ehrendoktorwürde verliehen

von Michel Mayr  20.11.2024

Hannover

Biller und Gneuß erhalten Niedersächsischen Literaturpreis

Der Nicolas-Born-Preis wird seit dem Jahr 2000 zu Ehren des Schriftstellers Nicolas Born (1937-1979) verliehen

 20.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024