Salomon Korn

Der Anreger

Salomon Korn ist ein Mann mit vielen Talenten, er kann schreiben, gut erzählen, schöne Häuser entwerfen. Eines aber hat er in 63 Lebensjahren nie so richtig hingekriegt: Nein zu sagen und sich der Pflicht zu verweigern. Diesmal aber, so scheint es, hat er es geschafft. Korn wollte nicht Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland werden, er ließ Charlotte Knobloch den Vortritt. Auch wenn viele das bedauern – hier hat sich einer für sich selbst entschieden und gegen ein Amt, das er nie haben wollte.
Dabei ist Salomon Korn kein Mensch, der nicht weiß, was von ihm erwartet wird. Dieser lebhafte Herr, aus dem die Geschichten nur so herauspurzeln können, hat einen guten Teil seines Lebens in Amt und Würden verbracht und im Dienst einer Gemeinschaft, der er sich tief verpflichtet fühlt. Seit 1999 ist er Chef der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, seit 2003 Vizepräsident des Zentralrats. Vielen ist er bekannt als ein intellektueller Autor, der scharfe Debatten anfachen kann. Da war etwa das Wort vom »Blutgeld«, mit dem Korn die Kunstsammlung des Flick-Erben Friedrich Christian Flick angriff. Oder seine Kritik an der Dresdner Bank, die ihre überfällige NS-Studie im Jüdischen Museum in Berlin vorstellen wollte. Korn warnte vor einer »aktiven Vereinnahmung« des Ortes und steckte dafür auch Schläge ein.
Das scheint ihn wenig bekümmert zu haben, er kann Dispute auch genießen. Eines aber hat er immer gefürchtet: auf die Rolle des »Funktionsjuden« reduziert zu werden. »Ich will nicht derjenige sein, der für die deutsche Mehrheitsgesellschaft die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holt«, hat er mal gesagt und damit auch die Rolle des Zentralrats gemeint, der immer dann zu Wort kommt, wenn Minderheiten verfolgt, getreten oder gedemütigt werden. Korn ärgert diese negative Stigmatisierung, weil mit ihr eine stille Ausgrenzung einhergeht. Aber auch als Zentralratsvize ist es ihm kaum gelungen, aus diesem unsichtbaren Käfig auszubrechen. Dabei lebt dieser Familienvater seit vielen Jahren mittendrin in der Frankfurter Bürgergesellschaft, in die ihn der Krieg hineingespült hat. Salomon Korn stammt aus einer polnischen Rabbinerfamilie, sein Vater war ein orthodoxer Gelehrter, der nach dem Krieg aus Not und eher widerwillig ins Frankfurter Immobiliengeschäft einstieg. Sein ältester Sohn Salomon studierte Architektur und Soziologie, ging lieber ins Kino und ins Theater als ins Büro – und fügte sich am Ende doch. Erst dem Vater, in dessen Geschäft er einstieg. Dann der Gemeinde und dem Zentralrat, wo er Verantwortung übernahm.
»Noch immer sträubt sich das Bewußtsein, noch immer wehren sich die Sinne«, hat Korn bei der Beerdigung von Paul Spiegel gesagt. Er hat damit den Tod gemeint und das Bewußtsein, daß Spiegel nicht mehr lebt. Ein bißchen aber klang es auch so, als sträubte er sich gegen das Bewußtsein, daß dessen Erbe nun auf ihn selbst zukommen könnte. Korn hat bei dieser Beerdigung auch viel von seinem Mentor Ignatz Bubis gesprochen. Der hatte kurz vor seinem Tod resigniert und ein bitteres Fazit seiner Amtszeit gezogen. Jetzt hat Salomon Korn Nein gesagt, zum ersten Mal. Constanze von Bullion

Kultur

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