Demokraten gesucht
Paul Spiegel fordert einen »Runden Tisch« gegen Rechtsextremismus
Angesichts des dramatischen Anstiegs rechter Straftaten im vergangenen Jahr hat der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, vor einer Verharmlosung des Rechtsextremismus gewarnt. Er habe den Eindruck, dies werde »nicht genügend ernst genommen«, sagte er dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel. Spiegel sprach sich für einen »Runden Tisch« der Demokraten aus. Führende Vertreter von Parteien, Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen und anderer Glaubensgemeinschaften müßten gemeinsam eine Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus entwerfen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sprach von einer
»bestürzenden Entwicklung«. Thierse forderte ein stärkeres Engagement vor allem in den Kommunen. »Wir brauchen dringend Runde Tische in der Sächsischen Schweiz und anderen Regionen, die durch den Rechtsextremismus besonders gefährdet sind«, betonte der SPD-Politiker.
Nach Informationen des Tagesspiegel ist die Zahl der von Neonazis begangenen Straftaten in Deutschland im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Nach den bislang bekannten, vorläufigen Zahlen der Polizei sei ein Anstieg um mehr als 30 Prozent festgestellt worden. So seien im Zeitraum Januar bis November 2005 insgesamt 9.453 rechte Straftaten registriert worden, über 2.300 Straftaten mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Gewalttaten belief sich auf 531 (Vorjahr: 433). Auffallend sei zudem daß rechtsextremistische Kriminalität besonders in Sachsen und Nordrhein-Westfalen verbreitet sei. In Sachsen habe die Polizei von Januar bis November 2005 1.662 Delikte festgestellt, darunter 69 Gewalttaten. In Nordrhein-Westfalen waren es 1.681 Delikte, darunter 100 Gewalttaten. Auch wenn sich die Zahlen der beiden Länder ähneln, zeigten sie doch, daß der Osten stärker betroffen sei, hieß es. In Nordrhein-Westfalen verteilten sich die Delikte der Rechtsextremisten auf rund 18 Millionen Einwohner, in Sachsen auf 4,3 Millionen Einwohner.
Parallel zur starken Zunahme der Delikte wachse offenbar auch die rechtsextreme Szene. Der »harte Kern« der Neonazis werde von Sicherheitsexperten inzwischen auf etwa 4.100 Personen geschätzt, rund 300 mehr als ein Jahr zuvor. 2003 lag die Zahl den Angaben zufolge noch bei 3.000 Personen. Zulegen konnte dem Bericht zufolge auch die NPD. Danach gewann die rechtsextreme Partei 2005 rund 700 Mitglieder und steigerte deren Zahl auf 6.000.