Herr Klarsfeld, Sie wollen für französische Angehörige deportierter Juden in Deutschland Klage gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher Iwan »John« Demjanjuk einreichen. Warum?
klarsfeld: Demjanjuk war KZ-Wächter in Sobibor, einem Vernichtungslager. Im März wurden auch mehr als 4.000 französische Juden dorthin deportiert, nur 15 von ihnen überlebten. Schon 1949 gab es erste Beweise, dass Demjanjuk durch besondere Brutalität auffiel.
Bisher ist nicht sicher, ob es zu einer Auslieferung kommt. Rechnen Sie noch damit, dass es einen Prozess geben wird?
klarsfeld: Über die Auslieferung müssen amerikanische Behörden entscheiden. Aber ich glaube, dass Demjanjuk bald nach Deutschland ausgeliefert wird. Es ist doch keine unzumutbare Belastung, ihn in ein Flugzeug zu setzen! Außerdem hat das juristische Vorgehen gegen den Mann große symbolische Bedeutung. Wenn Demjanjuk vor Gericht gestellt wird, zeigt das: Die Verfolgung der NS-Verbrecher ist nicht beendet, solange der letzte Täter noch lebt. Solange die Schergen von einst noch atmen, müssen sie damit rechnen, dass man sie zur Rechenschaft zieht.
Haben Sie nicht Sorge, dass ein Prozess womöglich ohne Urteil oder gar mit Freispruch endet?
klarsfeld: Nein. Es gibt noch viele Sobibor-Überlebende, die bezeugen können, was genau in dem Lager passiert ist und welche Rolle Demjanjuk dort spielte.
Dass es zu einer Verurteilung kommt, ist damit aber nicht gesagt.
klarsfeld: Demjanjuk erwartet, wie schon in Israel, ein faires Verfahren. Dort wurde er ja freigesprochen, weil man ihm nicht nachweisen konnte, dass er »Iwan der Schreckliche« aus Treblinka war. Für einen Prozess gegen Demjanjuk, den brutalen KZ-Wärter aus Sobibor, fehlte dem Gericht die Grundlage.
Haben sich die Ermittlungen und die Einleitung eines Verfahrens gegen Demjanjuk nicht viel zu lange hingezogen?
klarsfeld: Nein, durchaus nicht. Es ist doch ein Erfolg für die deutschen Behörden, wenn auch ein später, dass jetzt Demjanjuks Auslieferung beantragt wurde.
Mit dem französischen Anwalt sprach Martin Krauß.