von Rüdiger Suchsland
Das Ehepaar Beate und Serge Klarsfeld hätte das Zeug zu Superhelden in einem Hollywood-Thriller. Als »Nazijäger« wurden sie berühmt, quer durch die Welt verfolgten sie ehemalige NS-Täter, enthüllten deren falsche Identitäten und schmutzigen Verstrickungen mit neuen Herrschern, ob lateinamerikanischen Caudillos oder Geheimdienstleuten in Washington. Jetzt erzählt eine deutsch-französische Fernsehkoproduktion ihre Geschichte. Auf dem Filmfest München vergangene Woche hatte La Traque (»Die Hetzjagd«) Premiere, eine deutsch-französische Koproduktion der Sender Canal Plus und arte. Im kommenden Jahr soll der Film auf arte gezeigt werden. Ein deutscher Kinoverleih hat sich bisher noch nicht gefunden.
Serge Klarsfeld, der die Schoa in Nizza versteckt überlebte, während sein Vater in Auschwitz ermordet wurde, und die in Berlin aufgewachsene Nichtjüdin Beate Künzel lernten sich im Paris der frühen 60er-Jahre kennen und lieben. Gemeinsam machten sie es sich zur Lebensaufgabe, NS-Verbrecher, die unbehelligt und als angesehene Bürger lebten, aufzuspüren und vor Gericht zu bringen. Ihr prominentester Fang war der deutsche Kriegsverbrecher Klaus Barbie, berüchtigt als »der Schlächter von Lyon«, den die Klarsfelds nach 20-jährigen Bemühungen 1985 in Frankreich vor Gericht stellen konnten. »Das hatten wir geschafft! Nach 20 Jahren und einem Tag.« Noch heute, ein Vierteljahrhundert später, ist Beate Klarsfeld die Erleichterung anzumerken, die sie am Ende jenes langen Tages im Jahr 1983 gefühlt hatte, als sicher war, dass sich Barbie endlich in französischem Gewahrsam befand. Die Klarsfelds hatten ihn in Bolivien aufgespürt. Dorthin war der Gestapochef von Lyon 1951 mit Hilfe des US-Geheimdienstes emigriert. Unter dem Namen Klaus Altman beriet er die Militärdiktatur beim »Kampf gegen die Subversion«. Mit Zähigkeit und Cleverness schafften es die Klarsfelds, dass der vielfache Mörder und schaurige Folterer schließlich in Lyon für seine Taten vor Gericht gestellt werden konnte.
Mit viel Zeitkolorit erinnert La Traque auch an die frühen Jahre der Bundesrepublik, als selbst bekannte Nazitäter, ohne Verfolgung fürchten zu müssen, in gutbürgerlichen Verhältnissen lebten, und unter ihrem wahren Namen in den Telefonbüchern zu finden waren, wie der von den Klarsfelds schließlich vor Gericht gebrachte Kölner Altnazi Konrad Lischka.
In dem Film des Franzosen Laurent Jaoui spielt Franka Potente Beate Klarsfeld. Ohne dem Ernst des Themas Abbruch zu tun, stellt sich ein Hauch von Lola rennt oder Bourne Identity ein, vor allem in der minutiösen Schilderung jenes letzten dramatischen Tages, an der Barbies Auslieferung fast noch an Formalien gescheitert wäre. Das narrative und schauspielerische Zentrum des Films aber ist Hanns Zischler als Barbie. Souverän balanciert er auf dem schmalen Grat zwischen Monstrosität und Alltäglichkeit: Kein sardonisch-charmanter Mephisto, sondern ein brutaler Verbrecher, der sich in Lateinamerika in der Rolle des leutseligen Fremden gefällt, immer noch die Strippen in Neonazinetzwerken zieht und dem keiner etwas anhaben kann – bis Beate Klarsfeld und ihr Mann Serge kommen. Zischler ist gerade in kleinen Momenten und knappen Blicken großartig. Franka Potente kann da nicht ganz mithalten. Sie gibt ihrer Rolle etwas Behäbiges, Steifes, das so gar nicht der realen Beate Klarsfeld entspricht, die trotz ihrer inzwischen 69 Jahre noch immer lebendig, wach und energiegeladen wirkt.
Laurent Jaoui, der bislang ausschließlich fürs Fernsehen tätige Bruder der bekannten Regisseurin und Schauspielerin Agnès Jaoui, hat eine Mischung aus dokumentarischer Exaktheit und fiktionaler Erzählweise gewählt, die sorgfältig all die Klischees vermeidet, von denen fiktionale Filme wie Der Untergang, aber auch das History-Infotainment à la Guido Knopp voll sind. La Traque verzichtet auf all das vordergründig Heroische, das man heute für Quotenerfolge offenbar für unabdingbar hält. Auch Eine-Frau-zwischen-zwei-Männern-Motive oder private Beziehungsgeschichten vor der großen Geschichte kommen nicht vor.
Jaouis Film erzählt einen Thriller aus dem wahren Leben, der, obwohl man den Ausgang kennt, Spannung entfaltet. Umso unverständlicher ist die Haltung der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen und des Westdeutschen Rundfunks, die eine Förderung des Films ablehnten, unter anderem, so war zu hören, mit der skandalösen Begründung, es handele sich um »kein deutsches Thema«. Ganz im Gegensatz offenbar zu Täterfilmen wie Der Untergang und Napola, die von Förderanstalten und Sendern großzügig gefördert wurden. Filmstiftungschef Michael Schmidt-Ospach verweist in diesem Zusammenhang auf das »Recht, auch einmal einen Film nicht zu unterstützen«. Das will ihm auch niemand bestreiten. Schwer verständlich bleibt die Entscheidung dennoch.