Schwerin

Dekorateur der Barbarei

von Iris Leithold

Selten ist eine Ausstellung in Deutschland schon vor ihrer Eröffnung derart umstritten gewesen wie die Arno -Breker-Schau, die vergangenen Freitag im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus eröffnet hat. Darf Hitlers Lieblingsbildhauer in städtischen Räumen gezeigt werden und wenn ja, ist das kleine Schleswig-Holstein-Haus
ohne wissenschaftlichen Mitarbeiterstab dieser Herausforderung gewachsen? Oder ist das Unterfangen, Brekers Werk in einer
Ausstellung kritisch aufzuarbeiten, naiv?
Die Fraktion derer, die Breker (1900-1991) wegen dessen naziverherrlichender Kunst in den Jahren 1936 bis 1945 für unausstellbar halten, wird von Klaus Staeck angeführt. Eine Ausstellung stelle immer eine Aufwertung dar, sagte der Plakatkünstler und Präsident der Akademie der Künste in Berlin dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hingegen sprach sich für das Projekt mit dem Hinweis aus, die Ausstellung könne einen Beitrag zur Aufarbeitung deutscher Geschichte leisten. Ähnlich äußerte sich der Historiker Hermann Schäfer, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn und Abteilungsleiter bei Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Als Historiker sei er generell gegen Tabus.
Auch Michel Friedman, TV-Moderator und ehemaliger Zentralratsvize, sprach sich für die Schau aus. In der Bild-Zeitung forderte er zugleich, »daß parallel zur Ausstellung die unsägliche Verknüpfung des Künstlers und des NS-Regimes vermittelt wird«. Brekers Kunst sei vom Künstler nicht zu trennen und dieser nicht von seinem Lebenslauf. Klaus Staeck, so Friedman weiter, beurteile Breker zwar zu Recht als »Dekorateur der Barbarei«. Die Barbarei und ihr Dekor gehörten aber heute, 61 Jahre nach ihrem Untergang, nicht in die Verborgenheit musealer Magazine oder unzugänglicher Sammlungen. »Sie müssen ans Licht!«
Der Kurator der Schau Zur Diskussion gestellt: der Bildhauer Arno Breker, Rudolf Conrades, ist optimistisch. »Die 70 Skulpturen aus allen Schaffensphasen Brekers werden mit Texttafeln zeit- und kunsthistorisch eingeordnet«, sagte er. Zudem erscheint zur Ausstellung, die bis zum 22. Oktober zu sehen sein soll, ein kritischer Essayband. Zu den Autoren gehört der renommierte Historiker Heinrich Schwendemann, der auf die Architektur im Dritten Reich eingeht, die Breker als Staatsbildhauer jener Zeit ideologiegerecht aus- schmückte oder ausschmücken sollte. Ein Beitrag von Rainer Hackel beleuchtet Brekers Engagement für Verfolgte im Dritten Reich. Aus Dokumenten geht hervor, daß der NS-Staatsbildhauer seine privilegierte Position nutzte, um unter anderem den Verleger Heinrich Peter Suhrkamp aus NS-Haft zu holen. Auch den französischen Schauspieler Jean Marais soll er vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt, die Jüdin Dina Vierny, Modell des Bildhauers Aristide Maillol, aus dem Gefängnis gerettet haben. Nach 1945 wurde Breker unter anderem auf Grund der positiven Zeugenaussagen als »Mitläufer« entnazifiziert.
Kurator Conrades will die Schweriner Ausstellung als Anstoß verstanden wissen, Breker aus der Tabuzone zu holen und zur
Diskussion zu stellen. »Das Schlimmste, was bei einer näheren Betrachtung von Kunst der Nazizeit passieren könnte, wäre doch, daß man an manchen Stellen Überraschungen erleben und an anderen Stellen sich bestätigt finden würde, daß man also ein differenziertes Bild des Gegenstandes bekäme«, schreibt er im Begleitband zur Ausstellung.

www.schwerin.de/kultur_bildung/kultureinrichtungen/shh

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 2. Januar

 23.12.2024

Debatte

Schweden stoppt Unterstützung von UNRWA

Hintergrund des Schrittes ist die Entscheidung Israels, der UNRWA wegen ihrer Verwirklichung in den palästinensischen Terror jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium zu untersagen

 20.12.2024

Kunst

Leitung der documenta 16 wird heute bekanntgegeben 

Wer wird die nächste documenta kuratieren? Die Findungskommission der für 2027 geplanten Schau will ihre Entscheidung jetzt bekanntgeben

von Nicole Schippers  17.12.2024

Nach Assad-Sturz

Libanesischer Politiker ruft Landsleute zur Rückkehr auf

Im von zahlreichen Krisen geplagten Libanon herrscht neue Zuversicht. Nach den Worten eines wichtigen Politikers ist die Weihnachtsfreude in diesem Jahr gar »doppelt so groß«

 17.12.2024

Berlin

Chanukka-Basar in der Synagoge Pestalozzistraße: Kuchen, koscherer Glühwein und ein Bühnenprogramm

Am Sonntag findet der Basar im Innenhof der Synagoge statt. Es gibt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Auch die »The Swinging Hermlins« werden auftreten

von Christine Schmitt  13.12.2024

Thüringen

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

Der CDU-Politiker brauchte nur einen Wahlgang

 12.12.2024

Antisemitismus

RIAS: AfD ist eine Gefahr für Juden in Deutschland

Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus präsentierte auch neue Zahlen zu antisemitischen Vorfällen

 11.12.2024

Amsterdam

Nach antisemitischer Hetzjagd: Haftstrafen für drei Angeklagte gefordert

Einen Monat nach den Übergriffen stehen nun sieben Menschen vor Gericht

 11.12.2024

Brandenburg

Antisemitismusbeauftragter fordert Priorisierung der Bildungsarbeit

Auch die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Menschen müsse gewährleistet werden, sagte Büttner

 10.12.2024