Die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld möchte die evangelische Paul-Gerhardt-Kirche kaufen. »Wir hoffen, daß wir uns noch in diesem Jahr einigen werden«, sagte Irith Michelsohn am vergangenen Donnerstag vor Journalisten. Sie ist gemeinsam mit Paul Yuval Adam gleichberechtigter Vorstand der jüdischen Gemeinde.
Religiöse Bedenken, als Synagogengemeinde in eine Kirche zu ziehen, gebe es nicht, bestätigt auch Landesrabbiner Henry G. Brandt. Allerdings müßten Taufstein und Altar sowie das farbige Fenster mit Kreuz abgebaut werden. Nicht aber der Kirchturm, ergänzt Paul Yuval Adam.
Widerstand gegen den Kauf der Kirche rege sich anonym von einigen Bielefelder Juden, bestätigten Michelsohn und Adam. Gegen diese Einmischung in die Verhandlungen mit der Neustädter Marien-Gemeinde, der Eigentümerin der Paul-Gerhardt-Kirche, werde man sich wehren, be- tonten Rabbiner wie Vorstand. »Ich finde es beschämend, daß irgendwelche jüdischen Kreise versuchen, dieses Unterfangen zu sabotieren. Gerade jetzt, da sich die evangelische Kirche in Bielefeld anschickt, zur Wiedererstarkung jüdischen Lebens in unserer Stadt beizutragen«, bedauerte Rabbiner Brandt.
Die beiden Vorstände versicherten ausdrücklich, die jüdische Kultusgemeinde habe sich in der Vergangenheit stets um ein gutes Miteinander von Juden und Nichtjuden in der Stadt bemüht und als Mosaikstein zum Facettenreichtum beigetragen. »Wir wollen, daß dies auch in Zukunft so bleibt«, betonten beide.
Über die Kosten des Kaufs haben Kirchenkreis, Neustädter Gemeinde und Kultusgemeinde Stillschweigen vereinbart. »Es besteht aber ein gutes Verhandlungsklima«, versicherte Michelsohn. »Wir werden ein Kaufangebot abgeben.« Falls die Verhandlungen scheitern, liege es nur am Preis.
Die Kirche an der Detmolder Straße mit dem 2.200 Quadratmeter großen Grundstück würde rund 350 Plätze bieten, plus 100 in den Gemeinderäumen im Untergeschoß. Die jüdische Gemeinde zählt heute 250 Mitglieder. Vor viereinhalb Jahren waren es noch 150. Fast 99 Prozent seien Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, erklärt Michelsohn. Die Gemeinde vergrößere sich stetig und damit auch der Raumbedarf. Das Gemeindezentrum in der Stapenhorststraße ist mit seinen 35 Plätzen im Synagogenraum deutlich zu klein geworden.
»Wir freuen uns darauf, in absehbarer Zeit für unsere gewachsene Gemeinde neue, adäquate Räumlichkeiten zu haben, in denen die Gemeinde als Ganzes ein Zuhause haben wird«, heißt es in einem Brief des Vorstands an die Gemeinde vom Januar. Für den Kauf rechnet die Kultusgemeinde mit staatlichen Zuschüssen. »Wenn wir Glück haben, kann das in die Städtebauförderung der Stadt Bielefeld einfließen«, meinte Irith Michelsohn.
Unterstützung wird die Gemeinde auch brauchen. Im August 2002 war der Kauf der evangelischen Georgenkirche am Botanischen Garten aus finanziellen Gründen gescheitert. Der Landesverband Jüdischer Gemeinden in Westfalen hatte der Bielefelder Gemeinde die Unterstützung versagt. »Zu groß, zu teuer« hieß es damals. Schließlich müsse das Objekt auch unterhalten werden. Wilfried Massmann/hso
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