von Karin Katzenberger
»Bringt eure Kinder und Enkel mit in die Synagoge«, ruft Rabbiner Tuvia Hod, verbunden mit einer einladenden Handbewegung. Er möchte, daß jüdisches Wissen und Glaube an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Dann kündigt er an, er werde bald wiederkommen und nachschauen, ob die Tora Gebrauchsspuren habe und etwas abgegriffener aussehe als heute.
In Ludwigshafen weihte am vergangenen Sonntag die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz eine neue Synagoge samt Gemeinschaftsräumen ein. Sie liegt in der Zollhofstraße 4 nahe am Rheinufer. Das Hochhaus ist von einem Baugerüst umgeben und mit einem grünen Netz verhüllt. Die Kultusgemeinde Rheinpfalz, die für ihre inzwischen rund 650 Mitglieder bereits über Synagogen in Neustadt, Speyer und Kaiserslautern verfügt, hat in Ludwigshafen rund 460 Quadratmeter im Erdgeschoß gemietet und in Eigenarbeit renoviert. Die beiden Küchen sind schon funktionsfähig, und alles andere eigentlich auch.
Zum Auftakt der Feierstunde verliest Geschäftsführer Manfred Erlich ein Grußwort von Staatsministerin Maria Böhme, der Beauftragten für Zuwanderung und Integration. Sie begrüßt es, daß in einem der ältesten jüdischen Siedlungsgebiete der Republik das Miteinander der Religionen nun auch räumlich zum Ausdruck kommt. Noch im Laufe des Jahres soll in der neuen Synagoge ein Tag der offenen Tür stattfinden. Daß die Räume für zahlreiche kulturelle Veranstaltungen genutzt werden, steht ebenfalls fest.
Für Peter Waldmann, Präsident des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz, ist Ludwigshafen eine für das Judentum wichtige Stadt. In seinem Grußwort zitiert er Ernst Bloch: Der Schriftsteller soll der Stadt in einem seiner Bücher bescheinigt haben, sie sei »frei vom Muff der Vergangenheit und offen für die Zukunft«.
Oberbürgermeisterin Eva Lohse erinnert in ihrer Ansprache an die Juden, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts zum Aufbau der Stadt beitrugen. Demnach gab es in Ludwigshafen beispielsweise im Jahr 1854 allein 13 jüdische Ärzte. Einer davon war Simon Gutherz, der das erste Krankenhaus in der Stadt einrichtete. Die Oberbürgermeisterin erwähnt auch Baumeister Markus Sternli, der den 1925 eröffneten Ebertpark konzipierte. Doch die NS-Zeit ging auch an Ludwigshafen nicht vorbei. Eva Lohse spricht von zwölf dunklen Jahren, die die Menschen heute noch immer mit Trauer und Scham erfüllten.
Geschenk der Stadt zur Eröffnung der Synagoge ist eine Torarolle. Michael Tsenteris, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, selbst Überlebender der Schoa, hält am »Bekenntnis zur Vergangenheit« fest. Dies als Mahnung und Verpflichtung, damit sich solche »Abgründe« wie während der Nazizeit nie wieder auftun mögen. Er erinnert an den Anfang des 20. Jahrhunderts, als in Ludwigs- hafen etwa 1.400 Juden lebten. Die in der Reichskristallnacht zerstörte Synagoge aus dem Jahr 1865 war für etwa 130 Männer und 70 Frauen konzipiert. Damals war die Feuerwehr angehalten, den Brand dort nicht zu löschen, sondern nur die benachbarten Gebäude vor einem Übergriff der Flammen zu schützen.
Heute zählt die Gemeinde in Ludwigshafen rund 120 Mitglieder. Mit den Räumen in der Zollhofstraße hat sie jetzt ein neues Zuhause. Allerdings müsse die Bibliothek noch eingerichtet werden, sagt Geschäftsführer Manfred Erlich. »Es gibt noch viel zu tun.«