kiddusch

Davnen bei Karima

Warum ausgerechnet ich? Tagelang habe ich gehofft, der Kelch möge an mir vorbeigehen. Aber nein, ich bin ausgelost worden. Nächsten Schabbat fällt eine hungrige Minjanhorde bei mir ein und verwüstet meine Wohnung.
Das kam so: Sepharad 3000, die Synagoge meiner Wahl, hat wieder mal Pleite gemacht, diesmal endgültig. Erst haben die Wasserwerke wegen unbezahlter Rechnungen die Lieferung eingestellt, als Nächstes haben die Putzfrauen das Handtuch geworfen, weil kein Wasser zum Putzen da war, dann ist der Hausmeister zu den Zeugen Jehovas übergelaufen, weil sie besser zahlen, und jetzt finden G’ttesdienst und Kiddusch jede Woche woanders statt. Es entscheidet das Los. Und nächste Woche bin ich dran.
Aber zum Glück gibt’s ja die Fertiggerichte vom Kosher-King-Supermarkt, und zum Glück kann man da seit Neuestem auch online bestellen, weil dort ja nie jemand ans Telefon geht. Ich ordere also drei verschiedene Sorten Blätterteigtäschchen, 100 Stück müssen reichen, und 20 Liter Erdbeer-Bananensaft von Yotvata. Und ich mache Gemüsesticks. Geliefert wird am Freitagnachmittag, meine Probleme scheinen gelöst.
An jenem Freitag ist bei mir, wie jede Woche, die Höllle los. Meine Freundin Gisou kränkelt auf meinem Sofa (sie kränkelt lieber bei mir als bei sich zu Hause, weil ich Kabel habe), Gisous kleine Tochter und meine kleine Emma veranstalten eine Gemüsestick-Regatta in der Kloschüssel, meine Tante Gittel (frisch geschieden) logiert dieses Wochenende bei uns und surft seit Stunden im Netz von einer Singlebörse zur anderen.
Es ist 17 Uhr. Von meinen Blätterteigtäschchen keine Spur, und bei Kosher King geht wie üblich niemand ans Telefon. Gerade will ich eine Valium einwerfen, da höre ich an der Wohnungstür ein kratzendes Geräusch, unterbrochen von stakkatoartigen Schluchzern. Als ich die Tür öffne, finde ich Karima aus dem ersten Stock, die heulend auf meinem Kokosläufer zusammengebrochen ist und mit ihren langen roten Fingernägeln an meiner Wohnungstür kratzt. Ihr Typ habe wieder mal mit ihr Schluss gemacht, schluchzt sie. Schniefend robbt sie zu meinem Sofa und bittet um das Fernsehprogramm. Meine Freundin Gisou ordert vom Fauteuil aus krächzend eine weitere Tasse Ovomaltine, Tante Gittel fragt, ob noch Käsecräcker da sind, gleich kommt auf Kabel 1 »The Bold and the beautiful«.
Schließlich trifft doch noch eine Lieferung vom Kosher King ein: 200 Liter Saft und weiter nichts. Ich werfe alle aus meiner Wohnung. Wie ich den Rest des Freitagabends überlebt habe, weiß ich nicht mehr.
Am Samstagmorgen taucht ein gutgelauntes Quorum bei mir auf – wenn die wüssten, dass sie nur Gemüsesticks und Obstsaft serviert bekommen. Aber aus Karimas Wohnung dringen verheißungsvolle Baklavadüfte. Wahrscheinlich ist ihre Mama Latifa da und bäckt für sie, wie jedes Mal, wenn sie Liebeskummer hat.
Da kommt mir die zündende Idee: Ich verfrachte den gesamten Minjan einfach nach unten – und wie durch ein Wunder wird das Ganze doch noch zu einer gelungenen Party.
Die Rebbezen und Latifa stellen fest, dass sie beide aus Fez stammen und tauschen Adressen aus, Rabbi Elhadad isst sich genüsslich von Noql bis Lavashaq und Ssekandjebin und zurück, das Ehepaar Nostratabadi kippt literweise heißen Minztee in sich rein – fehlt nur noch, dass wir die Wasserpfeife kreisen lassen, aber heute ist ja Schabbat. Mashallah, grunzt Chasan Bensussan, und sinkt auf einen Sessel. Das ist ja beinahe wie daheim in Casablanca. Und auch als am Montagmorgen ein Sattelschlepper mit 30 Kilo Blätterteigtäschchen bei mir auftaucht, bleibe ich trotzdem guter Stimmung, denn von jetzt an davnen wir jeden Schabbat bei Latifa und Karima – und ich habe für nächste Woche schon Qaraqorut, Katchi und Ssangak vorbestellt. Margalit Berger

Berlin

Äußerungen des US-Tech-Milliardärs Elon Musk: »Fundamentaler Angriff auf die deutsche Demokratie«

Wolfgang Thierse (SPD) kritisiert den Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk scharf

 03.01.2025

TV-Tipp

Fränkischer Stoffhändler mit beispielloser Erfolgsgeschichte

Mini-Serie über Jeans-Erfinder Levi Strauss als TV-Premiere

von Jan Lehr  02.01.2025

Gaza

WHO-Chef fordert Freilassung von Krankenhausleiter in Gaza

Israel wirft dem Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses eine Beteiligung an Terroraktivitäten vor. Er werde gegenwärtig verhört, heißt es

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu würdigt Jimmy Carter als Friedensstifter

Der ehemalige US-Präsident ist am Sonntag im Alter von 100 Jahren gestorben

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu im Krankenhaus - Gericht verschiebt Anhörung

Die Gerichtstermine im Korruptionsprozess gegen Israels Regierungschef kollidieren oft mit seinen Amtsgeschäften. Diesmal zwingt ihn jedoch ein anderer Grund zu einer Absage

 29.12.2024

Interview

»It’s been a tough year«

Yana Naftalieva on the meeting of the World Union of Jewish Students in Berlin, anti-Semitism at universities and her wishes for 2025

von Joshua Schultheis  27.12.2024

Nahost

Israel greift bei libanesisch-syrischem Grenzübergang an

Ziel sei Infrastruktur der Terrormiliz Hisbollah gewesen

 27.12.2024

Nahost

UN-Chef ruft Israel und Huthi-Terrormiliz zu Deeskalation auf

António Guterres nennt die neuesten israelischen Luftangriffe »besonders alarmierend«

 27.12.2024

Nahost

Tote nach israelischen Angriffen im Jemen

Nach Angaben von Israels Armee griff die Luftwaffe Infrastruktur der Huthi-Miliz am internationalen Flughafen der Hauptstadt Sanaa an

 28.12.2024 Aktualisiert