von Michael Berger
Am 5. Juni vor 40 Jahren führte der schon seit Generationen andauernde arabisch-israelische Konflikt zu weitreichenden militärischen Auseinandersetzungen, die als »Sechstagekrieg« in die Geschichte eingingen. Israel befreite sich in einem die gesamte Weltöffentlichkeit überraschenden Verteidigungsschlag von der militärischen Be- drohung, die von seinen arabischen Nachbarn ausging. Die zu raschen Erfolgen führenden Aktionen der israelischen Streitkräfte zählen seither zu den perfektesten und erfolgreichsten militärischen Operationen der Kriegsgeschichte.
Dennoch war dieser Krieg nur ein weiterer Höhepunkt in einem andauernden arabisch-israelischen Krieg, denn auch in den Zeiten des Waffenstillstandes hatten die Waffen nie wirklich geschwiegen. Die auf den Rückzug Israels im Frühjahr 1957 aus der Sinaihalbinsel und dem Gasastreifen folgende Stationierung einer bewaffneten Einsatztruppe der UN, die sowohl die Grenze als auch das Durchfahrtsrecht israelischer Schiffe durch die Straße von Tiran sichern sollte, konnte den Frieden im Nahen Osten nicht nachhaltig garantieren.
In den ersten Monaten des Jahres 1967 verschärfte sich die Lage durch die Angriffe der von Syrien aus operierenden Fatah-Kämpfer und den Beschuss israelischer Orte in Nordgaliläa durch syrische Artillerie. Eigentlicher Beginn der Krise war ein größeres Gefecht zwischen syrischen und israelischen Truppen am 7. April 1967, nachdem die Syrer das Feuer auf israelische Bauern in den nördlichen Grenzsiedlungen eröffnet hatte. Bei einem israelisch-syrischen Luftkampf wurden sechs MiG-Jäger der syrischen Luftwaffe abgeschossen.
Die von der Sowjetunion gezielt verbreitete Meldung, die Israelis würden an der syrischen Grenze Truppen konzentrieren, lieferte Ägypten und Syrien den Vorwand, ge- gen Israel aggressive Maßnahmen einzuleiten. Ägyptische Truppenverbände in großer Zahl überschritten den Suezkanal und bezogen Stellungen auf der Sinai-Halbinsel. Am 16. Mai forderte Ägypten die UNO-Truppen auf, die Sinai-Halbinsel zu verlassen, und sperrte am 22. Mai die Straße von Tiran für alle Schiffe unter israelischer Flagge. Die Sperrung der Meerengen, die Verstärkung der ägyptischen Kräfte im östlichen Sinai auf 100.000 Soldaten und 900 Kampfpanzer sowie eine Erweiterung des ägyptisch-syrischen Militärbündnisses durch Jordanien und den Irak bedeutete für Israel eine massive und unmittelbare Bedrohung seiner staatlichen Existenz. Unter dem Eindruck dieser Bedrohung und dem Druck der öffentlichen Meinung bildete die Regierung von Ministerpräsident Levi Eshkol am 1. Juni eine »Regierung der nationalen Einheit« und ernannte Moshe Dayan zum Verteidigungsminister.
Der Krieg begann am Morgen des 5. Juni 1967 mit Präventivschlägen der israelischen Luftwaffe gegen die ägyptischen, anschließend fast zeitgleich gegen die jordanischen und syrischen Luftwaffenbasen, die eine fast vollständige Zerstörung der Luftstreitkräfte der verbündeten arabischen Staaten zur Folge hatten. Noch am selben Tag stießen die israelischen Landstreitkräfte – angeführt von großen Panzerverbänden – gegen die sieben Divisionen starke ägyptische Armee im Gasastreifen und im Sinai vor. In schnell vorgetragenen Angriffen wurden die Stellungen der Ägypter durchbrochen, ihre Truppenverbände eingeschlossen und vernichtet. Nach nur vier Tagen war die ägyptische Sinai-Armee verschwunden, die israelischen Truppenverbände standen am Ufer des Suezkanals, an der Küste des Golfes von Suez und hatten Scharm El-Scheikh besetzt.
Zur gleichen Zeit fanden schwere Kämpfe gegen die jordanischen Truppen statt. Durch den konzertierten Einsatz von israelischer Luftwaffe und schnellen Panzereinheiten wurden die jordanischen Verteidiger bei Ramallah, Bethlehem und Hebron geschlagen. Nachdem das Gebiet um Jerusalem freigekämpft war, mussten die Jordanier auch aus ihren Stellungen in der Stadt weichen. Israelische Fallschirmjäger eroberten die Altstadt, erstürmten den Tempelberg und erreichten am 7. Juni kurz nach 10 Uhr den heiligsten Platz des Judentums, die Klagemauer, auf den Lippen das Lied »Yerushalayim Shel Zahav«. Nach dem Fall von Nablus und der Besetzung Jerichos erreichten die Truppen den Jordan. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni bot Jordanien seine Bereitschaft zum Waffenstillstand an.
Die Sowjetunion griff nun auf diplomatischem Wege ein, mit dem Ziel, eine vollständige und demütigende Niederlage der arabischen Verbündeten zu verhindern. Am Abend des 7. Juni legte der sowjetische Botschafter den UN-Delegierten in New York einen Resolutionsentwurf vor, in dem ein sofortiger und umfassender Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien gefordert wurde. Nach dem jordanischen König Hussein I. gab auch der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser in der Nacht auf Freitag, den 9. Juni, den Friedensappellen des UN-Sicherheitsrats nach.
Die syrischen Truppen setzten jedoch trotz der offiziellen Bekanntgabe ihrer Regierung, den Waffenstillstand zu akzeptieren, den Beschuss fort. Am 9. Juni durchbrachen israelische Panzer- und Infanteriever- bände sowie Fallschirmjägereinheiten, unterstützt durch Angriffe der Luftwaffe, in verlustreichen Kämpfen die syrischen Stellungen und drangen auf die Golanhöhen vor. Als beide Seiten am Samstag, den 10. Juni, um 18:30 Uhr den Waffenstillstand beschlossen, war der Golan bereits unter der Kontrolle der israelischen Armee.
Israel hatte in den sechs Tagen des Krieges nicht nur sein Territorium nahezu vervierfacht, sondern auch einen Sicherheitspuffer gegen die benachbarten arabischen Staaten geschaffen. Der rasche Sieg der israelischen Streitkräfte aus einer scheinbar aussichtslosen Situation heraus bedeutete für Israel einen erheblichen Prestigegewinn und brachte ihm die Sympathien der Weltgemeinschaft ein. Vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen von 1956 lehnte Israel diesmal einen Rückzug ohne Garantien ab. Die Anerkennung Israels durch die arabischen Staaten und die Respektierung seiner Sicherheit frei von Bedrohung und Gewalt als Gegenleistung für den Rückzug »aus besetzten Gebieten« wurde durch die UN-Resolution 242 vom 22. November 1967 eindeutig festgelegt.
Doch auch diese Idee einer friedlichen Lösung fand auf arabischer Seite keine Akzeptanz. Die demütigende Niederlage, der Verlust der Gebiete sowie ein erneuter Flüchtlingsstrom ließ die Feindschaft der Araber größer werden als je zuvor. So blieb auch dieser Krieg nur eine Episode des Kampfes Davids gegen die Feinde Israels, ohne Hoffnung auf ein Ende der Auseinandersetzungen und eine Zukunft in Frieden.
Der Autor ist Berufsoffizier und arbeitet im Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr.