»Das war keine
gute Diplomatie«
Colette Avital über israelische Forderungen für Schoa-Überlebende
Frau Avital, noch vor drei Wochen hieß es, Israel wolle mit Deutschland über das Entschädigungsabkommen von 1952 und über Zahlungen an Holocaust-Überlebende verhandeln. Beim Besuch des deutschen Finanzministers traute sich die israelische Regierung nicht mehr, das Thema anzusprechen. Als Löwe gestartet, als Bettvorleger gelandet?
avital: Israel hat die Kontakte zur deutschen Regierung während des Israelbesuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgenommen und sie über Rentenminister Rafi Eitan fortgesetzt. Allerdings hätten diese Kontakte bis zum Ende unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden müssen. Dass die israelische Forderung jetzt publik gemacht wurde, war keine gute Diplomatie.
Bundesfinanzminister Steinbrück hat erklärt, Deutschland wolle über etwaige Nachbesserungen der Entschädigungsregelungen nur mit der Claims Conference verhandeln, wo israelische Überlebende eine wichtige Rolle spielen und für ihre Landsleute sprechen. Warum schaltet sich die israelische Regierung dennoch auf einmal ein?
avital: Israelische Regierungen haben auf Verhandlungen mit Deutschland über Entschädigungsleistungen für Überlebende jahrzehntelang verzichtet, um die bilateralen Be-
ziehungen nicht zu belasten. Allerdings darf die Regierung Überlebende, die israelische Bürger sind, durchaus vertreten. Bei Bedarf könnten die Zahlungen über die Claims Conference abgewickelt werden. Von der Sache her gibt es jedenfalls gute Gründe für deutsche Zahlungen an Überlebende mit Wohnsitz in Israel. Israel hat sich vor 55 Jahren zwar verpflichtet, für einen Teil der ehemaligen NS-Verfolgten zu sorgen, doch konnte zu jenem Zeitpunkt niemand absehen, wie viele Überlebende im Laufe der Jahre einwandern und wie groß ihre Bedürfnisse sein würden.
Deutschland befürchtet laut Finanzminister Steinbrück, dass Verhandlungen mit der israelischen Regierung zu Forderungen anderer Regierungen führen würden. Können Sie das nachvollziehen?
avital: Das Argument halte ich nicht für stichhaltig. Schließlich vertreten andere Regierungen keine Holocaust-Überlebenden.
Mit der Knessetabgeordneten (Avoda) sprach Wladimir Struminski.