Deidre Berger

Das Unbehagen wird immer bleiben

Frau Berger, ist das Büro des AJC in Berlin etwas Besonderes oder ganz normal?
berger: Es gibt nichts Normales an einem Büro einer amerikanisch-jüdischen Organisation in Berlin. Das AJC ist vor allem von amerikanischen Juden deutscher Herkunft gegründet worden. Die Beschäftigung mit Deutsch- land war auch deshalb immer sehr intensiv, und sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Organisation. Spätestens mit der Europäischen Union hatte dieses Engagement aber nicht nur eine emotionale Komponente, sondern auch eine strategische. Das neue Deutschland ist der wichtigste europäische Partner Israels und kann eine positive Führungsrolle in Europa übernehmen.

Wie wurde die Eröffnung des Büros 1998 intern aufgenommen?
berger: Es gab Vorbehalte. Die Überzeugungsarbeit wurde zwar erleichtert, da wir schon vor der Eröffnung des Büros Programme mit deutschen politischen Stiftungen etabliert hatten, aber dennoch blieb es Überzeugungsarbeit. Mein Vorgänger mußte durch die amerikanischen AJC-Büros reisen und den Mitgliedern den Plan erklären. Es gibt sehr viel Unterstützung, dennoch bleibt hier und da Unbehagen. Das wird immer so sein. Ich glaube auch nicht, daß es ein Ziel sein muß, dies total zu überwinden. Nach dem Holocaust gehört zur deutsch-jüdischen Beziehung eine kritische Distanz. Trotzdem kann es eine sehr intensive Beziehung sein.

Gibt es Vorbehalte von den deutschen jüdischen Organisationen?
berger: Es ist klar, daß es Fragen gibt, wenn eine amerikanische Organisation hierher kommt. Aber wir stellen die Position keiner deutschen Organisation in Frage. Wir haben gute Beziehungen zum Zentralrat der Juden, die immer enger wird. Als Amerikaner bringen wir eine zusätzliche Dimension in viele Diskussionen ein. Zum Beispiel reden deutsche Politiker ganz anders mit uns, weil wir Amerikaner sind.

Werden Sie als Emissäre der US-Regierung wahrgenommen? Hat zum Beispiel die Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses wegen des Irak-Kriegs Auswirkungen aufs AJC gehabt?
berger: Ja. Wir versuchen zu vermitteln, daß wir eine große, regierungsunabhängige Organisation sind, in der es unterschiedliche politische Meinungen gibt. Aber wir haben gewisse Stereotype hier in Berlin durchaus realisiert und gespürt. Um so wichtiger ist es, ein Gegenüber in solche Debatten einzubringen, und dieser Gegenüber können wir sein.

Wie definieren Sie die Aufgabe des AJC in Deutschland?
berger: Wir sind ein Botschafter für die Mitglieder unserer Organisation und bis zu einem gewissen Grad auch für die jüdische Gemeinschaft in den USA insgesamt. Lobby- Arbeit können wir als Amerikaner nur in den USA machen, aber nicht in Deutschland. Es geht also darum, Brücken zu bauen, gerade als Nichtregierungsorganisation, und Dialoge zu führen, die beide Seiten weiterbringen.

Wie nehmen Sie Deutschland wahr?
berger: Es ist ein Land mit viel Potential, einem hohen Bildungsniveau, das sich in einem Modernisierungsprozeß befindet und auch durch die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit offener geworden ist. Ich finde es gut, daß die Gesellschaft stark politisiert und interessiert ist. Auf der anderen Seite sind die Deutschen pessimistischer und neigen eher als Amerikaner zu Vorurteilen darüber, was der andere denkt. Was mich immer noch ein bißchen stört, ist ein Mangel an Höflichkeit im Umgang. Aber das sind Nebensächlichkeiten, genauso gibt es in den USA Dinge, die mich stören.

Und wie sehen Sie die deutsche jüdische Gemeinschaft?
berger: Ich empfinde sie als sehr dynamisch und chancenreich, aber ich sehe auch Gefahren und Probleme. Ich habe den Eindruck, die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist im Begriff, sich neu zu definieren. Der Ausgang ist unklar.

Das Gespräch führte Tobias Kaufmann.

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