Es war still im Hubert-Burda-Saal des Münchner Gemeindezentrums, als der Chor »Druschba-Chaverut« das jiddische Lied »s’brennt brider, s’brennt« sang. Damit eröffnete er die Gedenkstunde zum 68. Jahrestages des Massakers von Babi Jar vom 29. und 30. September 1941. Text und Melodie von Mordechaj Gebirtig riefen eindringlich die Situation in den verfolgten Schtetln Osteuropas einer vergangenen Epoche wach. Der Männerchor unter Leitung von Tamara Oumanskaia stimmte die Anwesenden auf den Gedenktag ein.
Erinnerungsort Schnell wurde deutlich, dass es mit der Erinnerung allein nicht getan ist. Das Kulturzentrum und die Sozialabteilung der IKG hatten das Programm mit Musik, Bild und Wort verbunden und auch das Heute mit eingebunden. Zweisprachig moderiert wurde der Abend von Julia Smilga, Journalistin beim Bayerischen Rundfunk. In ihrer Einführung wurde bereits klar, dass die Erinnerung auch das Denken der Menschen heute prägt. Hätte ihre Großmutter, so die Moderatorin, Kiew zusammen mit ihrem Sohn nicht rechtzeitig verlassen, so wären wohl auch diese beiden – und damit auch Julia Smiglas Vater – ermordet worden.
In der Schlucht von Babi Jar unweit von Kiew wurden 33.771 jüdische Männer, Frauen und Kinder innerhalb von zwei Tagen erschossen. Ein Sonderkommando der SS beging zusammen mit ukrainischen Schergen diesen furchtbaren Massenmord. Der Name Babi Jar, so Präsidentin Charlotte Knobloch, »ist ein mahnendes Symbol für die systematische Ermordung jüdischer Zivilisten auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Viel zu lange wurde über dieses grausame Verbrechen der Nationalsozialisten und ihrer Helfershelfer der Mantel des Schweigens gelegt. Viel zu lange wurden die Opfer des Massakers vergessen und die Gräueltaten aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt. Gerade deshalb sind wir es den Ermordeten schuldig, das Gedenken an diese unmenschliche Schandtat wachzuhalten.« Auf nachhaltige Weise hat dies in der Sowjetunion der Dichter Jewgeni Jewtuschenko getan. Sein Gedicht »Babi Jar« trugen Stanislav Kukharkow und Armand Presser vor. »Über Babi Jar, da steht keinerlei Denkmal. Ein schroffer Hang – der eine unbehauene Grabstein. Mir ist angst.« »Über Babi Jar, da redet der Wildwuchs, das Gras. Streng, so sieht dich der Baum an, mit Richter-Augen. Das Schweigen rings schreit.« Dies hatte Jewtuschenko 1961 geschrieben. Es sollte noch 30 Jahre dauern, bis ein erstes Denkmal für die Ermordeten errichtet war. Die Bilder des Schreckens und Mordens von Babi Jar wurden bei der Gedenkfeier im Hubert-Burda-Saal in einem Filmausschnitt einer Dokumentation des Bayerischen Fernsehens aus dem Jahr 1991 von Professor Andreas Bönte gezeigt. In einer anschließenden Gesprächsrunde mit Michael Wolffsohn und Semen Moshkovych ging es um das Verbrechen und um die Verpflichtung daraus für heute.
Wirkung Mit ergreifend vorgetragenen Musikstücken von Bach, Schostakowitsch und Krejn gaben die Pianistin Dina Ugorskaja und der Geiger Mikhail Gurewitsch dem Publikum immer wieder Gelegenheit, das Gesehene und Gehörte auf sich wirken zu lassen. Es gibt Dinge, die sich nicht mit Worten ausdrücken lassen, sondern nur durch Emotionen. Das machte in seiner Ansprache Gemeinderabbiner Steven Langnas deutlich. Den Abend beendete Kantor Claude Hoenel mit dem »El Mole Rachamim«.
Dabei waren auf der Leinwand die Namen von Opfern des Massakers zu lesen – Angehörige der Familien, die heute als Mitglieder der IKG in München leben. Stehend gedachten alle, die an der Gedenkfeier teilnahmen, der Opfer.